Das Schiff - Roman
die Reinigungskraft und der schwimmende Wurm.«
»Aha. Gibt’s irgendwo Wasser? Oder was zu essen?«
»Bisher ist nichts in Sicht. Wahrscheinlich sind wir alle bald tot.«
»Also ist die Sache gelaufen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, noch lange nicht. Wir halten weiter nach Essen und Trinken Ausschau.« Sie streckt ihr Buch hoch. »Vielleicht finden wir auch eines für dich.«
»Ein Buch?«
»Nur wegen der Bücher wissen wir überhaupt irgendwas. Die da haben auch Bücher, nur er nicht.« Sie deutet auf das Wesen mit der rosaroten Haut und dem Knochenkamm, das als Einziges zu reden versucht hat. »Das ist Picker. Der hat sein Buch noch nicht gefunden. Also wird alles, was er bis jetzt erlebt und erfahren hat, verlorengehen.« Sie wirft mir einen flüchtigen Blick zu.
»Diese Reiniger …« Da ich kaum ein Wort herausbringe, bleiben meine Frage und die damit verbundenen Überlegungen unausgesprochen. Ich treibe weiter, denke dabei nach, behalte aber alles für mich. Was wohl auch besser ist, denn allmählich entwickle ich Wahnvorstellungen.
Allmählich – bei diesem Gedanken entfährt mir ein heiseres Kichern.
Gleich darauf wackelt der blauschwarze Bursche mit dem flachen Gesicht leicht mit dem Hintern und gibt mehrere seltsame Pfeiftöne von sich, wirklich hübsch. Auch der rosarote Bursche mit dem Knochenkamm wirkt aufgeregt und reagiert auf eigene Weise mit Hup-und Trillertönen. Die beiden haben irgendwas entdeckt. Ich drehe den Kopf. Ganz am Ende des Röhrenabschnitts, in den ich Einblick habe, zeichnet sich eine
große Öffnung ab, ein weiteres Verbindungsstück, diesmal linker Hand.
»Vielleicht führt uns das irgendwohin«, sagt die Kleine. »Wir müssen die Öffnung erreichen, ehe sie sich wieder schließt. Du musst mit uns Schritt halten. Und mach dich auf starken Wind gefasst.«
»Na großartig«, erwidere ich. In meinem Rücken macht sich eine leichte Brise bemerkbar, die mich aber nicht abkühlt, da ich keinen Schweiß absondere. Triebe mein Körper nicht in der Schwerelosigkeit, würde ich es diesmal nicht rechtzeitig zur Öffnung schaffen. Aber so gelingt es mir, wenn auch mit viel Mühe, den anderen im Abstand von etwa vier Körperlängen zu folgen.
Je näher ich der Öffnung komme, desto mehr frischt die Brise auf und verwandelt sich schließlich in heftigen Wind. Die drei Riesen erreichen die Öffnung als Erste und bilden dort ein akrobatisches Team, indem sie einander die Arme um die Schultern schlingen und sich mit gespreizten Beinen und ausgestreckten Füßen so im Kreis aufstellen, dass sie die Öffnung ganz ausfüllen.
Gleich darauf fällt die Kleine dem Trio mit wehenden Haaren in die Arme und hält sich an den Männern fest. »Gut gemacht«, lobt sie ihre Helfer, die sie bei einem ihrer spindeldürren Arme packen und danach loslassen. Sie presst die Beine zusammen, legt die Füße aneinander und taucht so in den Hohlraum ein, als vollführte sie einen Kopfsprung in ein Schwimmbecken.
Während ich immer noch die Röhre entlanggleite und dauernd irgendwo aufpralle, versuche ich, mich möglichst langsam und vorsichtig vorwärtszubewegen und mich mit Händen und Füßen am Boden abzustützen, aber da ich allein bin, gelingt es mir schlecht. Schließlich erreiche ich die Barriere aus Armen und Beinen. Ich habe keine Ahnung, wodurch der hier herrschende Sog verursacht wird und wo die Öffnung hinführt, und fast ebenso beunruhigt mich die Vorstellung, dass mich in letzter Sekunde noch irgendetwas von hinten packen wird. »Wenn schon, dann beeil dich«, rufe ich tolldreist und strecke zugleich die Hände nach den anderen aus.
Der Braunhäutige mit den scharlachroten Markierungen – scharlachrot , ein wunderbares Wort! – greift sofort nach meinem Arm. Gleich darauf formiert sich die Gruppe neu und wirft mich mit vereinten Kräften in den tosenden Tunnel, obwohl ich mich verzweifelt an den Männern festzuklammern versuche.
Als ich hindurchsegle, fällt mir auf, dass sich der Tunnel wie der Schalltrichter einer Trompete zu einem größeren Raum weitet. Angetrieben von einem nasskühlen Seitenwind, werfe ich dabei einen Blick zurück und sehe, dass die drei Männer mir nacheinander gefolgt sind und etwa fünfzig Meter hinter mir schweben. Doch von der Kleinen ist keine Spur zu entdecken. Während die Öffnung in meinem Rücken mit der Dunkelheit verschmilzt, bewegen wir vier uns mit identischer Geschwindigkeit vorwärts. Der größere Raum ist schwach beleuchtet, so dass ich
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