Das Schiff - Roman
vorbeizischen.
Sicher werde ich hier den Tod finden, doch es kümmert mich seltsamerweise nicht. Wenigstens werde ich im Nassen sterben. Mittlerweile nehme ich alles mit philosophischer Gelassenheit. Es ist ein Glücksspiel: So oder so sind die Überlebenschancen an diesem Ort gering. Die Kleine kennt sich hier offensichtlich sehr viel besser aus als ich und weiß um die Gefahren, ist aber anscheinend trotzdem bereit, ihr Leben für mich aufs Spiel zu setzen. Vielleicht ist es ja wirklich nur ein Spiel.
Ich muss lachen. »Jetzt gehen wir baden!«, rufe ich.
Die Kleine, die immer noch meinen Fuß festhält, mustert mich der Länge nach mit einer Miene, die sowohl Besorgnis als auch Mitleid auszudrücken scheint. Ihr Gesicht wirkt so reif, so erfahren, als wäre ich das Kind und sie die Erzieherin.
Der Wind hat uns in die Mitte des Raums gezerrt; jetzt liegt das Wasser unmittelbar unter uns, und das macht mich völlig verrückt. Schon der Geruch ist so himmlisch, dass ich die Hand nach dem Wasser ausstrecke und es berühre. Sofort verspüre ich heftige Schmerzen, denn die Gewalt des Wassers zerrt an meiner Hand. Schnell vollführe ich eine Rolle in der Luft und schleppe dabei zwangsläufig das Mädchen mit, das immer noch an meinem Fuß hängt. Wir haben beide entsetzliche Angst …
… Aber die Dynamik unserer miteinander verbundenen Körper treibt uns so vorwärts, dass wir auf der
Schrägwand gegenüber aufschlagen, als wirres Knäuel davon zurückprallen, uns wieder vom Wasser entfernen und hoch darüber weiterschweben, allerdings immer noch mit hoher Geschwindigkeit.
Meine Hand fühlt sich so an, als wäre sie gebrochen. Ich sauge an den feuchten Fingern, aber es ist kaum Wasser daran hängen geblieben, kaum ein Tropfen, der die Mühe lohnt.
»So macht man das nicht«, erklärt die Kleine, als sie wieder Atem geschöpft hat.
»Ich hätte es schaffen können«, entgegne ich und kämpfe mit aller Kraft gegen den Wind an, weil ich zum Wasser zurück will.
»Das Wasser fließt durch eine Wanne«, sagt sie in belehrendem Ton. »Und diese Wanne rotiert unabhängig von den Wänden. Nur deshalb kann das Wasser ja überhaupt in diesem Becken bleiben. Und es fließt wirklich sehr, sehr schnell. Schau doch mal!«
Über den Fluss hinweg deutet sie auf das Trio auf der gegenüberliegenden Seite. Picker hat einen Stock ausgestreckt und gibt sich alle Mühe, das Tosen und Zischen des Stroms mit seinem Gebrüll zu übertönen, so als wollte er den beiden anderen Anweisungen geben. Der Blauschwarze antwortet darauf mit hohen Pfeiftönen. Offenbar hat er vor, den Stock in das aufgewühlte Wasser zu werfen.
»Der heißt Pushingar«, erklärt das Mädchen. Ich habe keine Ahnung, woher sie all diese Namen nimmt, aber zumindest bleiben sie im Gedächtnis haften.
Während Pushingar den Stock ins Wasser schleudert, halten ihn die anderen bei den Füßen fest. Gleich darauf wirbeln sie zwar wie im Veitstanz herum – Veitstanz , schönes Wort –, schaffen es aber, nicht in die reißenden Flut abzutauchen. Nun wird mir auch der Sinn dieses Manövers klar: Der Stock hat ein paar Spritzer ausgelöst, die jetzt als schillernde Wasserkügelchen in der Luft wabern.
Aber wo ist der Dritte im Bunde abgeblieben? Der Braunhäutige mit den scharlachroten Markierungen?
Mit ausgestreckten Armen und vor Begeisterung aufheulend taucht er aus dem Schatten hinter uns auf. Er hat sich von der gegenüberliegenden Wand abgestoßen, schießt recht geschickt auf eine der in der Luft schwebenden faustgroßen Wasserkugeln zu und reißt den Mund auf. Es ist ein ziemlich eindrucksvoller Mund voller großer gelber Hasenzähne, und besonders imposant sind die Schneidezähne. Dieser Mund schnappt nach der Wasserblase, die zerplatzt, und saugt einen tiefen Schluck in sich hinein. Den Rest des Wassers fängt der Braunhäutige im vorgestreckten Hemd auf.
»Und wie heißt der ?«, brülle ich so laut, dass ich das Rauschen übertöne.
»Satmonk«, erwidert das Mädchen.
Nachdem die beiden anderen Satmonk abgefangen haben, verbinden sich die drei wieder miteinander und lassen sich gemeinsam treiben. Dabei versuchen Picker und Pushingar mit Händen und Füßen, weitere Wasserkugeln zu sich zu treiben, und strecken zugleich die
Köpfe vor, denn Satmonk ist inzwischen damit beschäftigt, sein Hemd auszuwringen, um auch die anderen mit Flüssigkeit zu versorgen.
» So macht man das«, sagt das Mädchen. »Aber ohne Anschubser brauchen wir ein paar Minuten,
Weitere Kostenlose Bücher