Das Schiff - Roman
graues Objekt gelegt und sich dort verankert. Unvermittelt schnellt die Raspel mit den Sägezähnen vor, während hinten aus dem Maul eine Art Schnabel ausfährt und in meine Richtung stößt. Allerdings ist die große flache Platte schon fast in meiner Reichweite. Ich kann nur hoffen, dass sie massiv ist. Gnädigerweise erspart sie mir kurzzeitig den Anblick des gierigen Aals. Vermutlich ist diese Platte meine letzte Chance: Ich strecke die Beine aus, stoße mich so kräftig wie möglich von der Plattenkante ab und schieße auf das Verbindungsstück zur Röhre zu, auf die Öffnung, die mich gerade noch hindurchzulassen scheint, während sie weiter schrumpft. Doch in diesem Moment taucht hinter
mir das Maul samt Sägezähnen und Schnabel auf. Der Aal ist so nah, dass ich seinen ätzenden, süß-sauren Atem riechen kann …
Geschafft! Ich bin durch die Öffnung gelangt, pralle gegen die Röhrenwand und rudere auf Teufel komm raus mit den wunden Gliedern, um dem zu entkommen, was mit Sicherheit gleich hinter mir auftauchen wird …
Schon stößt das Maul durch die Öffnung, schnappen Raspel und Schnabel nach mir, während die Sägezähne abwechselnd knirschend ineinandergreifen und sich wieder voneinander lösen. Doch schließlich ziehen sie sich hinter die wulstigen Lippen zurück, und das Maul schließt sich, während der obere Teil des Riesenaals in meine Richtung peitscht. Vor mir kann ich jetzt das kleine Mädchen sehen und dahinter weitere Gestalten. Bin gleich da, muss nur noch den Aal loswerden …
Was ist das? Ein entsetzliches Geräusch. Die Öffnung hat sich so zusammengezogen, dass der Hals des Aals darin festsitzt und er erstickt. Während das Knorpelgewebe knirscht, wird das Fleisch so zusammengepresst, dass es aufplatzt. Das riesige Maul erbebt, die wulstigen Lippen ziehen sich krampfartig zurück und enthüllen Schnabel und Sägezähne. Ein Aufkreischen – dann windet sich der Aal nur noch und stößt seinen widerlichen Atem so aus, als ließe er Gas ab, nur eine Handbreit von meinem um sich tretenden Fuß entfernt.
Die Öffnung hat sich geschlossen, der abgetrennte Kopf und der Kadaver des Aals treiben in der Röhre
umher. Tot, aber noch nicht gänzlich wehrlos. Als der Schnabel mir die Spitze des kleinen Zehs abhackt, schreie ich vor Schmerzen auf. Ringsum verteilt sich dunkle, schleimige Flüssigkeit und hüllt meine Füße und den ganzen Körper so ein, dass ich mich schließlich keuchend zu Boden fallen lasse. Was auch klappt, denn unsere Körper haben wieder Schwere angenommen. Während ich mich, mehr oder weniger glitschend, durch die Röhre schiebe, scheint mich der abgetrennte Aalschädel mit den Sägezähnen zu verfolgen. Immer wieder trete ich mit aller Kraft dagegen. Irgendwann hört er auf, sich zu winden und nach mir zu schnappen. Es ist vorbei.
Wir haben wieder Bodenhaftung, ich habe überlebt, und die Kleine ist nur ein paar Meter von mir entfernt. Hinter ihr entdecke ich drei Erwachsene, die sie am Arm und an den Schultern festhalten. Anfangs glaube ich, es seien Menschen, so wie ich. Aber das stimmt nicht, sie ähneln weder mir noch der Kleinen. Alle drei wirken so erstarrt und gelähmt, als könnte das Sägezahnmonster jederzeit wieder zum Leben erwachen.
Guter Name für den Riesenaal, das Sägezahnmonster .
So weit, so gut. Aber es warten weitere Überraschungen auf uns.
Schwere, die Kälte mit sich bringt
D ie Kleine sieht mich mit ihren großen grauen Augen an. Hinter ihr stehen drei hochgewachsene, in Lumpen gehüllte Gestalten unterschiedlicher Hautfarbe. Einer davon hat einen dunkelblauen, fast schwarzen Körper und ein breitflächiges Gesicht. Der Zweite, er hat einen auffällig schmalen Schädel, ist braunhäutig, allerdings weist die Haut rötliche Markierungen auf. Der Dritte, der Größte und Dünnste des Trios, hat eine blasse, rosa gesprenkelte Haut. An der Stelle, an der eigentlich die Nase sitzen müsste, ist nur ein abgeflachter Knochenkamm zu sehen, der bis zur anderen Schädelseite reicht. Offenbar trägt er die Nase mitten auf der Stirn.
Und dieses Wesen schnaubt.
Alle drei sind klitschnass und riechen penetrant nach Schweiß. Die Kleine scheint sie nicht der Beachtung wert zu finden, obwohl sie ihre Schultern umfasst haben.
So wie sie als Gruppe dastehen, wirken sie, als warteten sie darauf, dass jemand ein Familienporträt von ihnen macht.
Schließlich wendet die Kleine schicksalsergeben den Blick ab und wischt sich die Nase. »Bald wird’s hier
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