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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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einen Namen. Malzan. Sagt der Ihnen etwas?«
    Und wie. Die Hand mit der Zigarette blieb einen langen Augenblick in der Luft hängen, und die andere verkrallte sich in den schwarzen Zotteln des Hirtenhunds, der glücklich seufzte. Vielleicht sagte ihm der Name ja auch etwas. Dann atmete sie tief aus, die Zigarette fiel in den Ascher, und Nora Schäfer-Scheunemann weinte zum zweiten Mal an diesem Tag, während ich dabeisaß und an meiner Zigarette zog und mir vorkam wie ein Sadist. Es war ein Gefühl, das mir ziemlich vertraut war.
    »Tut mir leid«, sagte sie, nachdem sie ihr Gesicht mit dem Taschentuch bearbeitet hatte. »Ich dachte, da wäre etwas schon lange getrocknet und verheilt, aber das war wohl ein Irrtum. Wie kommen Sie darauf, daß Michael etwas mit Miriams Verschwinden zu tun hat?«
    »Hat er das?«
    »Sie bringen seinen Namen doch nicht umsonst mit ihr in Verbindung. Bei Ihnen hat doch alles Methode.«
    »Danke für das Kompliment«, sagte ich und drückte ihre Kippe aus. Wenigstens brauchte ich es nicht in einem Zahnputzglas zu tun. »Der Name Malzan steht aber zunächst mal nicht mit Miriam in Verbindung, sondern mit Ihnen. Ich habe mich in Hannover umgehört, Nora.« Ich zeigte ihr den Stapel Zeitungsausschnitte. »Eine Zeit lang standen Sie ziemlich oft in den Klatschspalten. Sie haben doch wohl nicht geglaubt, daß da niemand einen Zusammenhang sieht?«
    »Sie schnüffeln in den Klatschspalten herum? Ich hätte mich doch nicht mit einem Journalisten einlassen sollen.«
    »Im Gegenteil. Nur ein Journalist weiß, wie dieser Mist einzuordnen ist. Daß Sie nach Ihrer Scheidung noch mal ein bißchen Highlife gemacht haben, interessiert mich doch nicht, Nora. Was mich interessiert, ist die Frage, ob Sie sich dabei nicht auf Leute eingelassen haben, die Ihnen gefährlich werden können – Ihnen und Miriam.«
    Sie wollte einen Drink haben. Gin mit Eis. Sie verputzte ihn mit einem durstigen Schluck. Und dann ein feuchter, träumerischer Blick in den nächtlichen Himmel über Volksen.
    »Wir haben uns geliebt, Michael und ich. Es war – ach, Sie werden es nicht verstehen. Ihre Abwehr funktioniert viel besser. Es war wie Frühling und Sommer und Herbst zusammen, alles auf einmal. Immer in dem Bewußtsein, das ist das letzte Mal, leb es aus, vergiß alles andere. Das ist Ihnen ganz fremd, Harder, ja?«
    »Stimmt. Ich kann nie alles andere vergessen.«
    »Schade.« Schade? »Es war wie ein Sturm, und als der Sturm vorbei war – alle Stürme gehn irgendwann vorbei war ich stolz und leer und tot. So gut wie tot. Aber auch das geht vorbei.«
    Es klang, als hätte sie eine meiner Serien auswendig gelernt, eine von denen, die ich in zwei Nächten hingefetzt hatte mit ein paar Pullen Wodka neben der Maschine und Creedence Clearwater Revival über Kopfhörer: I see a bad moon rising.
    »Alles geht vorbei«, sagte ich. »Aber meistens nicht spurlos. Und Leute wie Malzan …«
    »Was wissen Sie denn von Michael Malzan?«
    »Hatte er nicht eine Bar in Hannover, die abbrannte? Sie sehen, für den Anfang reicht es schon. Und dann ist er nach Berlin gegangen. Haben Sie nie mehr von ihm gehört?«
    Sie hatte. »Einmal rief er noch an …«
    »Jetzt mal genau, Nora. Wann?«
    »Sie quälen mich, Harder. Michael und Miriam, das ist doch hirnverbrannt. Das haben Sie auch von Paul, das hat er Ihnen eingeflüstert in seinem Delirium, geben Sie es zu …«
    »Nein«, sagte ich und stand auf. »Wenn Sie das alles so quält, hat es wohl keinen Sinn. Sie hätten sich das früher überlegen müssen. Es ist nun mal nicht angenehm, fremde Leute ins Haus lassen zu müssen. Und ihnen dann auch noch den Dreck zeigen zu müssen, der sich ein ganzes Leben lang angesammelt hat. Aber so ist das nun mal, wenn jemand spurlos verschwindet. Und wenn das Ganze erst ein Fall für die Polente ist, du meine Güte – das kann Sie mehr als zwanzig Mille kosten.«
    »Bleiben Sie«, flüsterte Nora.
    »Ich hätte gute Lust, die Sache hinzuschmeißen.«
    »Helfen Sie mir«, flüsterte sie. »Miriam ist in Gefahr – ich spüre es. Ich weiß es. Ich bin doch ihre Mutter.«
    »Ich kann Ihnen nur helfen, wenn Sie mir helfen. Ich erwarte ja gar nicht, daß Sie jede meiner Fragen wahrheitsgemäß beantworten – das tut kein Mensch, der nicht in die Klapsmühle will. Aber ich erwarte, daß Sie mit ein paar handfesten Fakten rüberkommen.«
    Und genau das konnte sie nicht. Es gab einige Wörter, die in ihrem wunderschönen Mund immer obszön klingen würden –

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