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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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räusperte mich und fiel in einen gemäßigten Plauderton. »Im wesentlichen genau das, was auf der Karte steht, Frau Richter. Unsere Agentur bietet ihren Service exklusiv in Fällen an, in denen es um die Grauzone zwischen polizeilichen Ermittlungen einerseits und Presserecherchen andererseits geht. Sie können sich ja vorstellen, was heutzutage alles in diese Kategorie fällt. Wir sehen unsere Aufgabe vor allem darin, in solchen Fällen nichts anbrennen zu lassen und wenn, dann stellen wir den Topflappen, mit dem man das Angebrannte vom Herd holt.«
    Frau Richter rieb ihre geschwungene Nase, die gut zu einer Figur auf einem Bild aus der Renaissance gepaßt hätte – Tante Borgia –, und ließ meine Karte auf den Rauchtisch fallen.
    »Sie müssen sich etwas deutlicher ausdrücken, junger Mann.«
    »Ich bin schon dabei. Es geht um Miriam Schäfer-Scheunemann. Sie ist seit einem halben Jahr verschwunden, und ihre Mutter hat unsere Agentur damit beauftragt, sie zu suchen.«
    Die Mitteilung überraschte Frau Richter nicht im mindesten. Sie schob einen Aschenbecher aus schwarzem Onyx über den Tisch. »Rauchen Sie nur, ich sehe doch, daß Sie ohne Zigarette nicht auskommen. Und warum ist Nora nicht zur Polizei gegangen?«
    »Der Polizei sind in solchen Angelegenheiten die Hände gebunden, solange keine Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Miriam ist schließlich volljährig. Außerdem können Sie sich ja vorstellen, daß die familiären Verhältnisse und nicht nur die familiären – in diesem Fall besonders delikate Ermittlungen voraussetzen.«
    »Das kann ich mir allerdings vorstellen«, sagte sie mit einem tückischen Glitzern in ihren Augen. »Mich wundert, daß Nora überhaupt jemanden mit Ermittlungen beauftragt hat. Es würde ihr viel ähnlicher sehen, Miriam einfach abzuschreiben. Ein Verlustgeschäft mehr oder weniger, macht das noch einen Unterschied?«
    Vielleicht wollte das Aas mich provozieren. »Ich hatte den Eindruck, daß Frau Schäfer-Scheunemann von Miriams Verschwinden ziemlich mitgenommen ist«, sagte ich, ganz der loyale Bergungsexperte, der nichts auf seinen Auftraggeber kommen läßt.
    »Ja, schauspielern konnte sie immer schon«, entgegnete Frau Richter ungerührt. »Und was sagt Paul dazu? Oder hat sie Ihnen ihren Exgatten verschwiegen?«
    »Ich habe bereits mit Herrn Scheunemann gesprochen. Er geht davon aus, daß Miriam in Berlin ist. Deswegen bin ich auch hier, Frau Richter.« Ich blätterte in meinem Notizbuch. Auch wenn man alles im Kopf hat, sieht das immer professionell aus. »Miriam war ja zuletzt über Ostern bei Ihnen. Hat das Mädchen Ihnen gegenüber Freunde erwähnt, Bekannte, Kneipen, in denen sie verkehrte, Klubs?«
    »Ich will Ihnen mal etwas erzählen, Herr Harder.« Sie verschränkte ihre Hände auf den Knien. Für ihr Alter – ich schätzte sie auf fünfundsechzig –, war sie noch fesch zurechtgemacht, und an ihren Fingern blitzten vier Diamanten. »Miriams Vater ist ein Vetter meines verstorbenen Mannes. Seit mein Mann vor fünfzehn Jahren starb, haben wir mit Paul und seiner Frau nur selten das Vergnügen gehabt. Es gab da geschäftliche Beziehungen zu Freunden dieses Hauses, aber seit Pauls Zusammenbruch und seinem dubiosen politischen Engagement ist das alles sanft entschlafen. Und das ist gut so. Aber was Miriam betrifft, hielt ich es für richtig, ihr noch einen Rest familiären Zusammenhalts zu ermöglichen – fragen Sie mich nicht, warum. Wir haben alle unsere Schwächen. Leider haben wir zu spät bemerkt, daß ihre Mutter Miriam dazu benutzt hat, um uns hier auszuspionieren.«
    Allmählich bekam die Sache Pfiff. »Wie darf ich das verstehen, gnädige Frau?«
    »In einer Familie mit unseren wirtschaftlichen und politischen Verbindungen, Herr Harder, gibt es immer Dinge, Affären, Unternehmungen, die zu wissen für eine Frau wie Nora von Vorteil sein kann.«
    »Wollen sie damit andeuten, daß Frau Schäfer-Scheunemann -?«
    »Uns erpressen könnte?« Die Vorstellung schien sie köstlich zu amüsieren. »Nun, in Ihrem Gewerbe liegen solche Gedanken wohl nahe. Lassen wir es dabei bewenden. Natürlich hat sich nichts dergleichen ereignet und wäre auch gar nicht möglich, aber es war uns allen doch klar, warum Miriam uns so oft besuchte. Und dazu kommt natürlich, daß sie leider für solche unappetitlichen Dinge prädestiniert ist.«
    »Wie meinen Sie das, Frau Richter?«
    »Nora Schäfer-Scheunemann ist eine moralisch durch und durch verkommene Person, der

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