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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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aber solche Geschichten sprechen sich sogar noch bis zu mir herum. Ich konnte das Arschloch, um das es ging, ohnehin nie ausstehen. Und jetzt suchen ausgerechnet Sie Miriam.«
    »Ihre Exfrau behauptet, Sie könnten bei Miriams Verschwinden die Hand im Spiel gehabt haben.«
    »Das sieht ihr ähnlich«, sagte er und betrachtete seine Hände. »Glauben Sie Nora?«
    »Ich sehe kein Motiv.«
    »Eine ehrliche Antwort.«
    »Die mich aber auch nicht weiterbringt.«
    »Geben Sie mir noch eine Zigarette«, sagte er. »Die wollen hier eine suchtfreie Persönlichkeit aus mir machen, dieser Idiot Vittinghoff und seine Azubis, und alles, was sie fertigbringen, ist, daß man seinen Süchten heimlich frönt. Können Sie mir das Päckchen dalassen? Es gibt im Moment nur noch drei andere Suchtpersönlichkeiten hier, und bei denen hat seine Therapie anscheinend Erfolg.«
    »Sie könnten doch einfach aufstehen und gehen.«
    Sein Blick wich mir zum ersten Mal aus, und er flüchtete sich in einen Mundvoll Rauch. »Wissen Sie«, sagte er dann leise, »ich habe immer noch genug Geld, um mir die teuersten Kliniken in der Schweiz zu leisten – nicht, daß Vittinghoff ausgesprochen billig ist. Aber wenn man so lange wie ich im Sumpf rumgekommen ist, dann braucht man den Sumpf sogar noch, wenn man einmal im Jahr so tut, als wolle man ernsthaft aufhören, der zu sein, der man ist.«
    Es war eine etwas weite Umschreibung der Tatsache, daß seine Parteifreunde ihn unter Verschluß halten wollten, aber ich saß ja nicht in seinem Krankenzimmer, weil er Alkoholiker war, sondern weil seine Tochter vermißt wurde wenn auch anscheinend nicht von ihm.
    »Ihre Exfrau behauptet, Miriam könne Sie nicht ausstehen«, sagte ich.
    »Und deswegen habe ich sie verschwinden lassen? Sie dürfen Nora nicht alles glauben, Herr Harder. Diese Frau hat viel Schlimmes mitgemacht, deswegen verzeihe ich ihr solche Behauptungen. Tatsache ist, daß ich und Miriam ein fast freundschaftliches Verhältnis haben. Wir sehen uns nur alle Jubeljahre mal, weil ihre Mutter das so will, aber wir verstehen uns blendend. Miriam ist ein entzückendes Mädchen, intelligent, neugierig, tapfer, anpassungsfähig …«
    »Und unheimlich bewußt«, unterbrach ich ihn.
    Er starrte mich einen Augenblick lang an, dann verzog er seinen Mund zu einem Lächeln. »Verzeihen Sie, Sie haben das alles schon gehört.«
    »Seit wann wissen Sie, daß Miriam nicht mehr zu Hause ist?«
    »Seitdem sie angeblich verschwunden ist«, sagte er und gab mir wieder seinen Zigarettenstummel. Diesmal hatte er die ganze Zigarette geraucht. »Sie kam nämlich vorher zu mir. Auf dem Weg nach Berlin.«
    »Sie ist in Berlin?«
    Plötzlich legte sich ein Schleier über sein Gesicht; ich hatte den gleichen auch schon bei Nora gesehen. Scheunemann ließ er endlich aussehen, wie er mir geschildert worden war – alt, krank kaputt. Das linke Augenlid flatterte unkontrolliert.
    »Ich glaube, ich brauche meine Spritze«, flüsterte er.
    »Es würde einen großen Unterschied ausmachen, wenn ich wüßte, daß Miriam nach Berlin gegangen ist.«
    »Hat sie mir gesagt. Hab ihr noch Geld gegeben. Von ihrer Mutter bekam sie ja nichts, das arme Ding. Die braucht es ja zum Verzocken. Passen Sie auf, daß Sie Ihr Geld kriegen, wenn Sie Miriam finden. Aber Sie werden sie nicht finden. Nie. Weil sie nicht gefunden werden will.«
    »Warum nicht?«
    »Wenn Sie gehen, sagen Sie der Schwester Bescheid. Mir ist ganz mulmig.«
    »Weshalb ist Miriam nach Berlin?«
    »Machen Sie vorher das Fenster auf, junger Mann. Nicht gut, wenn die Schwester das riecht.«
    Jetzt stand auch ihm der Schweiß auf der Stirn. Das Augenlid flatterte, als ob ein Vogel aus ihm schlüpfen wollte.
    »Sie wollten mir noch erzählen, warum Miriam nach Berlin ist.«
    »Noch ein Kind«, stöhnte er. »Fixe Ideen im Kopf. Berlin, große Stadt. Hat sie alles von Nora. Nora und ihre Männer. Ewige Rache der Frauen, junger Mann. Finger davon lassen.«
    »Ihre Verwandten in Kladow? Könnten die mir weiterhelfen?«
    Er murmelte einen Namen. »Wenn Sie das Schwein finden … steckt hinter allem …«
    Einer, der nach Berlin gegangen war, nachdem seine Bar abgebrannt war? »Sagen Sie den Namen noch mal, Scheunemann.«
    »Malzan«, brachte er mit einem Schwall Spucke heraus.
    Malzan. Ein Name war schon eine Menge wert. Ich stand auf.
    »Ich sag der Schwester Bescheid. Möchten Sie die Zigaretten? Wo soll ich sie verstecken?«
    Er streckte eine Hand Richtung Wandschrank aus, und ich

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