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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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und das Wort Fakten stand ganz obenan. Nach einer endlosen Viertelstunde wußte ich von Michael Malzan nur, daß er Mitte Dreißig war, aus München kam, früher mal geschauspielert hatte und von Beruf Märchenprinz war – und alles, was die andern sagten, war von Neid, Haß und Vorurteil diktiert.
    »Und Miriam? Wie stand sie denn mit Malzan?«
    »Sie war natürlich eifersüchtig.«
    »Auf wen?«
    »Auf ihn, Harder. Auf wen denn sonst? Aber im Grunde hat sie ihn wohl gar nicht richtig wahrgenommen.«
    Mit der Wahrheit ist es wie mit Perlenketten – ihr Glanz hängt von der Haut der Frau ab, die sie trägt. Und ihre Schönheit vom Auge des Betrachters.
    »Ich fahre jetzt nach Berlin zurück«, sagte ich.
    »Es gibt zwei Gästezimmer, Harder.«
    »Danke, aber ich fahre.«
    »Ich weiß gar nicht, wie wir jetzt verblieben sind.«
    Sie war so schläfrig inzwischen, daß ihre Zunge die Worte nur noch als Brei über die Lippen brachte.
    »Ich rufe Sie die Tage mal an.«
    »Sie mögen mich … nicht besonders …«
    Es war der richtige Augenblick, um die Kanone, die sie neben sich liegen hatte, zu überprüfen. Ein 22er Colt mit Elfenbeingriff’, hübsche handliche Damenwaffe. Ich blickte in die Trommel. Ungeladen. Pathetisch, so etwas. Sie machte die grünen Augen noch mal auf, und ich sah die Bitte darin und die Begierde – und die Verachtung und die Angst. Ich warf den Colt auf das Récamiere und verließ das Haus, und als ich in den Honda stieg, sah ich, daß sie das Licht gelöscht hatte, und ahnte, wie sich eine Fliege fühlen muß, die in ein Spinnennetz geraten ist und in letzter Sekunde das Netz zerreißen kann. Diesmal.

8
    Dienstag mittag. Zögernd tastete sich die Sonne durch den verkleisterten Himmel. An der Anlegestelle verließ ich die Fähre und nahm den Weg in den Ort. Kladow ist eine Kleingartenkolonie, die sich an einigen Stellen zum Villenvorort gemausert hat – Makler, Manager, Anwälte, Mitglieder des Yachtclubs und ein paar arrivierte Künstler. Eine Menge Mopeds waren unterwegs, aber auch Alfa Romeos und ein cremefarbener Bentley mit Vorhängen an den Fenstern. Stuckvillen, Malerateliers, älteres Geld und neueres, und dazwischen Staatsknete – in einer Telefonzelle zwei mongoloide Jungen in Skianoraks, die darauf warteten, daß Geld aus dem Apparat fiel.
    Ich fand das Haus, das ich suchte, ein stocksolide wirkender Kasten mit holzverkleidetem Obergeschoß und rotem Ziegeldach in einem großen, tadellos gepflegten Garten. Dr. HERTHA STAHL – DIPL.-VOLKSWIRT – STEUERBEVOLLMÄCHTIGTE. Vielleicht kannst du hier auch gleich als Klient einsteigen. Ich klingelte und sah dabei an mir herunter. Heute hatte ich meine Stiefel geputzt, trug ein schwarzes Baumwollhemd mit dezenten grauen Streifen und einen Hauch von Aftershave. Der Summer ertönte, ich drückte die Tür auf, und dann stand auf der Treppe an der Haustür eine weißhaarige Dame in einem stahlgrauen Kostüm und fragte, ob ich angemeldet wäre.
    »Das nicht«, gab ich zu. »Ich komme in einer dringenden Familienangelegenheit, Frau Richter. Sie sind doch Frau Cäcilie Richter?«
    »Das kann sich dann ja wohl nur um die Scheunemanns handeln«, sagte die alte Dame. »Was ist denn nun schon wieder los bei ihnen?«
    »Das würde ich ungern in die Gegend posaunen, gnädige Frau.«
    Mit der gnädigen Frau hatte ich sie. Leder und Jeans, und dann gnädige Frau – hereinspaziert. Einen bissigen Hund schien es nicht zu geben. Vielleicht hatten sie eine Selbstschußanlage.
     
    Sie bat mich in eine Art Salon – ein Satz Empirestühle, ein Sekretär, der nach verflucht viel Geld aussah, eine Reihe von alten Stichen an den Wänden, die mit vornehm lindgrünen Lilien tapeziert waren, und vor einem Brokatsofa ein Rauchtisch mit Marmorplatte. Das Licht war äußerst gedämpft – all die Tannen im Garten –, und die Zimmertemperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt. Vielleicht hätten sonst die Möbel gelitten.
    Ich hatte ihr meine Karte gegeben – die große zum Aufklappen mit der Computerschrift –, und nachdem sie auf dem Sofa Platz genommen hatte und ich auf einem der harten Stühle saß, betrachtete sie die Karte mit ihren scharfen hellblauen Augen und sah mich dann fragend an. Ihr Blick war noch etwas kühler als die Zimmertemperatur.
    »Jetzt weiß ich zwar, wie Sie heißen, Herr Harder, aber mit dem Rest kann ich immer noch nichts anfangen. Was bedeutet das – Expertisen – Bergungen – Internationaler Informationsaustausch?«
    Ich

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