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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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Sie noch bei der Mordkommission waren, Herr Rat, hatten Sie eine andere Einstellung zum Verbrechen.«
    »Wo liegt denn hier ein Verbrechen vor?«
    Also gut. Malzan mußte her. Ich hatte ihn mir aufheben wollen bis zum Schluß, aber wenn Smetana ihn haben wollte, konnte er ihn gleich haben.
    »Und oben in dem Haus liegt der Club Kamasutra«, schloß ich. »Sie werden ja nicht behaupten wollen, daß der auch eine Erfindung von mir ist.«
    Smetana wirkte schon sehr viel nachdenklicher. Das stand ihm auch besser. »Nein«, sagte er und putzte seine Brille mit der Krawatte ab, »das behaupte ich in der Tat nicht. Und dieser Malzan hat mit dem Kamasutra zu tun?«
    »Möglicherweise.«
    »Könnte für Sie kritisch werden, wenn Sie da auffallen, Harder.«
    »Herr Rat, ich bin persönlich involviert. Das sind Bekannte von mir, ich möchte ihnen helfen.«
    »Wie gut bekannt? Das Mädchen kennen Sie auch?«
    »Nicht direkt«, gab ich zu, »aber ich bin nicht nur hinter einer Story her, glauben Sie mir. Stories pflück ich vom Baum. Das hier ist persönliches Interesse.«
    »Human interest. So heißt das ja wohl in Ihrer Branche.
    Ich übersetze es mal wohlwollend: Sie machen persönlich engagierten Journalismus. Freut mich, Harder. Fabelhaft. Und wenn Sie ihn noch mit Fakten würzen, dann werde ich der erste sein, der Ihnen gratuliert.«
    Richtig witzig, der Bulle. »Mittlerweile könnten Sie mal Ihren Computer befragen, Herr Rat. Vielleicht spuckt er ja diesen Malzan aus.«
    »Wissen Sie, daß wir letzte Woche sechs Fälle von vermißten Jugendlichen hatten, die uns schlaflose Nächte gekostet haben, Harder? Ganz normale vermißte Jugendliche, der Jüngste war gerade acht, von der Schule nicht nach Hause gekommen, in der Gegend war erst vor kurzem eine Serie von Sexualdelikten mit Kindern, können Sie sich vorstellen, was da los war? Und am nächsten Morgen kommt der Lausebengel in die Schule, als wäre nichts gewesen. War ja auch nichts gewesen. Bei der Omi war er, hat er ganz vergessen zu sagen, und die Omi hat kein Telefon, und von der Omi hat uns die Mami in der Aufregung gar nichts gesagt. Das ist der normale Alltag bei uns, Harder. Abgesehen von den Brandanschlägen, den Leichensachen, den Drogen, der ganzen ausgeflippten Zeit. Und dann kommen Sie auch noch an mit Magic Air & Transport. Weiße Mädchen für Manila. Ich lach mich tot. Wie war der Name noch mal?«
    Man mußte Smetana einfach aussitzen, wenn er diese Stimmungen hatte. Ich nahm noch einen Schluck kalten Tee, während er den Namen durchgab. Dann rief er eine andere Stelle an, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Man mußte ihn kennen, um das mitzukriegen, weil es nur ein winziger Knick um den Mund war, aber ich kannte ihn ja. Er legte auf, und als er wieder den Mund aufmachte, sah er schräg an mir vorbei auf einen Spalt im Parkett – oder auf eine unsichtbare Schrift an der Wand.
    »Michael Malzan«, sagte er. »Nein, gegen den Mann liegt nichts vor, Harder. Abgesehen von gewissen Erkenntnissen, die in bestimmten Abteilungen dieses Hauses gesammelt wurden.«
    »Was heißt das?«
    Er nahm seine Brille ab und fing wieder an, sie zu polieren. Dabei war Smetanas Brille immer so sauber wie ein Computerausdruck.
    »Hören Sie, Harder, an Ihrer Stelle würde ich einen anderen Aufhänger für diese Reportage nehmen. Wir können ja mal die Akten durchsehn, da finden wir schon etwas. Haben wir doch früher auch so gemacht.«
    Ich stand auf. »Ist es politisch, Herr Rat?«
    »Mein Rat an Sie ist nicht politisch, nein. Rein menschlich. Kommen Sie die Tage wieder, wir finden dann etwas.«
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, Herr Smetana, ich bin persönlich involviert in diesen Fall.«
    »Welchen Fall? Es gibt keinen Fall. Keine Anzeige, kein Fall. Und jetzt habe ich zu arbeiten.«
    Ich konnte einen Wink mit dem Zaunpfahl verkraften. Harder, der Mann, den nichts umhaut, keine Beleidigung, kein Wink mit dem Zaunpfahl. Was heißt Zaunpfahl? Mit dem Berliner Polizeipräsidium.
    »Dann komme ich also die Tage wieder.«
    »Wir sehen uns bestimmt bald.« Und das war noch nicht alles. Als ich schon die Tür aufmachte, schoß er seine letzte Patrone ab. Er blätterte dabei in einer Mappe. »Hören Sie mal, was ich da in einer Zeitschrift gefunden habe. Kurios. Eine Anzeige. ›Sind Sie verzweifelt? Dann wenden Sie sich an Ihren Bergungsexperten für außergewöhnliche Fälle, Berlin Postfach, oder im Notfall Telefon …‹ Was sagen Sie dazu?«
    »Wir leben in verzweifelten

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