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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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Ihr wollt ja keine Macht, nicht mal ein Fetzelchen, nicht mal so viel, um einen Myslisch aus dem Verkehr zu ziehen. In Wirklichkeit habt ihr gar nichts gegen diese Leute. Je dreckiger sie sein dürfen, desto sauberer dürft ihr sein.«
    »Wenn du wirklich an etwas rankommst, laß es mich trotzdem zuerst wissen, Harder.«
    »Es gibt noch andere Mittel, um mit den Myslischs fertig zu werden.«
    Oskar Luckenrieder sah mich besorgt an. »Paß auf, Harder. Es sind schon viele auf der Strecke geblieben, die sich mit Leuten wie Myslisch angelegt haben. Warum steigst du nicht bei uns als Texter ein?«
    »Ich bin nicht positiv genug«, sagte ich. »Und ich hab nicht genug Angst vor Leuten wie Myslisch.«

16
    Seit zwei Jahren war ich nicht mehr in einer Redaktion gewesen. Um in die des Berliner zu kommen, mußte man vier Treppen hochsteigen, und dann bestand sie auch nur aus zwei mit Gerümpel vollgestellten Kabuffs, aber riechen tat es eben doch wie in allen Redaktionen, und ich atmete tief ein. Schrille Telefone, Pappbecher mit Kaffeeresten und aufgeweichten Kippen, Stapel von vergilbten Zeitschriften, Titelentwürfe an der Wand, ein Satz Dias, mit Zucker bestreut, der Fahrer, der einen Andruck brachte, ein nervöser Schreiberling, der einen Riemen loswerden wollte, den niemand bestellt hatte – auch wenn ich größere Redaktionen gewohnt war, plötzlich hatte ich einen Schüttelfrost weg. Entzug.
    Tex Netzle, zuständig für Kunst und Lokales, Esprit und Tratsch, saß hinter ihrem Schreibtisch und sah aus, als hätte sie einen Hungerstreik nur knapp überlebt. Zwischen ihren leuchtend roten Haaren hielten nur noch die großen dunklen Augen das winzige Gesicht zusammen, und das enge Netzhemd betonte eine Taille, die ein ausgewachsener Gorilla mit einer Pfote umfassen konnte.
    »Bei deiner Figur ist fasten lebensgefährlich, Tex.«
    »Ich hab überhaupt nicht gefastet. Mir reichen meine Depressionen.«
    »Du und Depressionen?«
    »November in Berlin, Harder, da fangen die Depressionen an. Und ich hab keine müde Mark und muß hierbleiben und arbeiten, und dann auch noch meine Mutter. Dabei wollte ich schon längst auf Sri Lanka sein.«
    »Was ist denn mit deiner Mutter?«
    »Die Frau ist achtundfünfzig und hat sich einen neuen Liebhaber aufgetan, einen vierzigjährigen rumänischen Berufszocker, und jetzt bringen sie in Monte Carlo das Häusle und das Ersparte durch. Meine Familie steht köpf.«
    »Deine Mutter hat aber bestimmt keine Depressionen.«
    »Und was führt dich hierher, Harder?«
    »Ich mache eine Story für den Playboy «, sagte ich. »Eine Story über Sex & Drugs & Gurus. Und da hat mich jemand auf das Institut für physio-soziale Therapie gebracht. Und du hast mal im Sommer einen Artikel geschrieben über eine Vernissage, die dort war. Was heißt Artikel, ein paar Zeilen. Ich würde gern all das von dir erfahren, was du nicht geschrieben hast.«
    »Für den Playboy , so.« Tex drehte sich eine Zigarette, dann gab sie sich und mir Feuer. Auf der anderen Seite des Zimmers saß ein Bärtiger mit einer dunklen Brille und tippte einen Artikel in eine alte Olympia, Modell Monica.
    »Wie viele solcher Vernissagen gab es dort bisher, Tex?«
    »Ich glaube, zwei. Kann auch sein, daß ich sie früher übersehen habe, weißt du, die Kunst-Szene in Berlin …«
    »Ich weiß, Tex. New York ist direkt überschaubar dagegen. Im Juni warst du jedenfalls dort.«
    »Und im September.«
    »Was gab es da zu sehen?«
    »Also das Zeug im Juni, Harder, das war ganz eindeutig. Das waren Produkte des Therapiekreises, so etwas kannst du bei jedem Drogenrehabilitationszentrum an der Wand finden.«
    »Sind das denn Junkies?«
    »Glaub ich nicht. Die haben ganz eindeutig einen indischen Touch. Das wird geleitet von einer Frau Frenkel-Ahimsa, die läuft nur im Sari rum und erzählt dir etwas von Karma und Wiedergeburt. Und dann hat sie einen Ehemann, einen echten Inder, der macht ein Reisebüro und verkauft indische Gewürze. Karma und Curry, das ist ihre Mischung.«
    »Und Kunst.«
    »Rege sind sie schon in diesem Laden. Angeblich haben sie sogar einen guten Draht zum Kultursenator.«
    »Vom Senat gefördert?«
    »Beweisen kann ich’s nicht, aber sie haben einen sehr vifen Manager.«
    »Ungefähr fünfunddreißig, groß, blond, ein Bayer?«
    »Kennst du den?«
    »Flüchtig«, sagte ich. Tex biß auf ihrer Unterlippe herum und starrte auf einen Packen Manuskripte. »Im September warst du doch noch mal da? Darüber hast du aber nichts

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