Das Schlangenmaul
Harder?«
»Ich bin Geschäftsmann.«
»Geschäftsmann.«
»Ich bin Teilhaber einer Agentur. Das Finanzielle ist bei mir schon in Ordnung, wissen Sie, aber das Materielle ist ja nicht alles. Wonach ich suche, ist ein Weg, der mich in andere Bereiche führt. Und zu anderen Menschen, wissen Sie.«
»Andere Menschen.«
»Nun, ich habe gehört, daß bei Ihnen ein Kreis von Menschen verkehrt, der andere Werte anstrebt als die, die bei uns gelten, und nachdem ich schon einige Enttäuschungen im religiösen Bereich hinter mir habe, dachte ich …«
»Ich verstehe, Herr Harder. Warum kommen Sie nicht morgen Abend in unsere Institutsräume in der Bleibtreustraße?«
»Morgen Abend? Das würde mir gut passen.«
»Von Zeit zu Zeit haben wir Veranstaltungen, die einer ausgewählten Öffentlichkeit zugänglich sind. Morgen Abend findet eine Soiree mit Frau Dr. Frenkel-Ahimsa statt, und ich bin sicher, daß Ihnen bei dieser Gelegenheit die Arbeit in unserem Institut verständlich werden wird.«
»Das ist ja phantastisch. Und Sie sind sicher, daß ich so ohne weiteres dabei sein kann?«
»In der Regel sind unsere Soireen nur geladenen Gästen zugänglich, Herr Harder, aber in Ihrem Fall werden wir sicher eine Ausnahme machen können.«
»Falls ich meine Frau mitbringen könnte …«
»Also mit Ihrer Frau. Pünktlich um 21 Uhr, Herr Harder.«
»Haben Sie vielen Dank.«
»Nora? Hier ist Harder. Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt.«
»Harder?«
»Ja. Der Mann, der Ihre Tochter sucht.«
»Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht richtig verstanden. Gibt es etwas Neues?«
»Sagen Sie, hat Miriam sich je für Schlangen interessiert?«
»Für Schlangen?«
»Ja, Schlangen. Giftschlangen. Riesenschlangen. Schlangenbeschwörung. Schlangentänze. Diese Reptilien, vor denen die meisten Leute solche Angst haben.«
»Ich weiß, was Schlangen sind. Miriam hatte zwar gern Tiere um sich, aber Schlangen … wie kommen Sie denn auf diese Idee?«
»Sie hat Ihnen nie von einem Institut erzählt, wo Schlangen gehalten werden? Hier in Berlin?«
»Nein.«
»Sie war dort, als sie über Ostern hier war.«
»Sie müssen sich schon deutlicher ausdrücken, Harder.«
»Ich werde mir dieses Institut morgen ansehen, Nora. Ich habe so ein Gefühl, als ob ich dort zumindest eine Spur finden werde.«
»Eine Spur wovon?«
»Eine Spur von Miriam.«
»Ich hoffe, Sie werden mehr als eine Spur finden. Ich habe Angst um Miriam, haben Sie das eigentlich verstanden? Sie sollen Miriam zu mir zurückbringen, hören Sie?«
»Ich höre. Sie dürfen jetzt nicht durchdrehen, Nora. Die Sache entwickelt sich sehr gut. Morgen Abend werde ich eine Menge mehr wissen.«
»Ich verlange, daß Sie mich jeden Tag anrufen, Harder.«
»Mache ich doch. Ich bin nur ständig unterwegs, und das tragbare Telefon haben wir noch nicht.«
»Es ist mir ganz egal, wie Sie das machen, ich möchte, daß Sie mich jeden Tag anrufen. Sooft Sie etwas Neues wissen. Und verrennen Sie sich nicht auf Nebenwegen, Harder. Die Gefahr, in der Miriam steckt …«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Mit Ihrem ironischen Ton kann ich mich nur schwer befreunden, Harder. Gute Nacht.«
»Bei Betsy.«
»Gib mir mal Nuchali.«
»Wer bist du denn?«
»Graf Koks vom Gaswerk.«
»Hallo, Joe.«
»Nuchali, sehen wir uns heute?«
»Geht nicht, Joe. Zuviel Arbeit.«
»Was heißt das? Ich bezahle genauso viel wie die andern.«
»Trotzdem, Joe. Geht nicht.«
»Hat Betsy es dir verboten?«
»Nein, Joe. Das ist eine Party im Hotel, ich muß mitmachen, du weißt doch, wie das ist.«
»Na schön. Dann komm vorbei, wenn du da fertig bist.«
»Mal sehn, Joe. Vielleicht bin ich müde.«
»Du weißt doch, ich möchte mich mit dir unterhalten.«
»Ach, das ist doch nicht wichtig.«
»Wenn du nicht mehr vorbeikommst, ruf ich dich morgen an. Dann sehen wir uns morgen Nacht.«
»Morgen ist auch schlecht, Joe.«
»Schon wieder eine Party?«
»Spezial, Joe. Spezialkunde.«
»Warum flüsterst du denn?«
»Ich muß jetzt Schluß machen, Joe. Tschüs.«
Ich saß da und trank Wodka und wartete, daß sie kam, aber ich wartete vergeblich. Um halb vier hatte ich ein ganzes Buch gelesen, von dem ich keine Zeile behielt, dann machte ich das Licht aus, starrte eine Weile auf die dunkle Ruine gegenüber und schlief schließlich ein.
18
Als ich im Schweizerhof eintrudelte, saß Evelyn schon an der Bar und ließ sich von einem Kerl charmieren, der aussah wie ein smarter Heimcomputerverkäufer. Das
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