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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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arbeitest du, Harder?«
    »Für Bargeld.«
    Er nickte, als hätte ich damit seine dunkelsten Befürchtungen bestätigt. Die Nutte erzählte gerade einen Kanakenwitz, und Malzan brachte sie mit einem Fingerschnippen zum Schweigen. Dann ließ er sich das Telefon geben, wählte, wartete einen Augenblick, sprach dann leise ein paar Worte in den Hörer, wobei er mit der anderen Hand Claires Nacken streichelte und mir dabei zublinzelte. Und die ganze Zeit ließ Nena in der Musikbox ihre 99 Luftballons steigen.
    »Wenn du Zeit hast«, sagte Malzan, »nachher läuft noch ein kleines Spielchen, hier um die Ecke.« Er sah meinen Blick und lächelte. »Ich will dich nicht abkochen, Harder. Ich möchte nur, daß du dir ein Bild von mir machen kannst. Damit du keinen Schwachsinn über mich schreibst, falls du aus deiner Suche nach Shiva doch einen kleinen Artikel machen willst.«
    »Ich seh dir gern zu, wenn du meditierst«, sagte ich. »Ich mach das ja beim Ficken.«
    »Tatsächlich? So als swingender Berliner, mit Kontaktanzeigen und Privatklubs? Ich hab mir sagen lassen, daß das ziemlich abwrackt.«
    »Ach, ich geh nur ganz gern in den Puff ab und zu.« Ich goß etwas Sekt nach. Die kleine Nutte heulte jetzt. Claire flößte ihr noch einen Campari ein. »Mich entspannt das, wenn ich da in der Küche hocke, meinen Schwatz mit den Mädchen mache und mit der Puffmutter, dann noch ein Nümmerchen, das ist auch Meditation. Es sei denn, man wird hinterher telefonisch mit dem Feuertod bedroht.«
    »Du hältst mich doch nicht für einen Zuhälter?«
    Es war, als hätte ich jeden Bierfilz in der Spelunke persönlich beleidigt. Der Zapfer stand mit offenem Mund da, und die Nutte hörte auf zu heulen und machte ein besorgtes Gesicht.
    »Hab ich das behauptet?«
    »Du behauptest eine ganze Menge, Harder. Und das schon den ganzen Abend über. Du mußt ein bisserl aufpassen, was du da so in die Gegend behauptest. Mißverständnisse können oft garstig enden.«
    »Nicht doch«, sagte ich. »Ich hab dir nur erzählt, wie ich meditiere.«
    »Schon gut.« Er nahm eine Zigarre aus seinem Etui, und die Stimmung entspannte sich. »Diese Schablonen, das ist doch ohnehin Spießerkram. Willst du in eine Schablone passen?«
    Ich hatte die beste Zeit meines bisherigen Lebens damit verbracht, allem, was ich bekam, Schablonen zu verpassen, aber allmählich begann ich mich auch zu fragen, warum Malzan wie ein Chef dastand und ich wie ein Kuli.
    »Ich hasse Schablonen«, sagte ich und schmiß mein Sektglas an die Musikbox.
    »Eine Frage, Mike: Was hat die Schlange auf diesem Symbol im Maul?«
    »Eine andere Schlange«, sagte Malzan und nahm noch einen Löffel von seiner Bohnensuppe. Wir legten bei einem Türken, der die ganze Nacht offen hatte, einen Imbiß ein. Ein enger Schlauch, gerade genug Platz für die Kochherde, den Grill und das Buffet, und ein paar Tische, an denen die Nutten mit ihrem Kebab standen, die Junkies mit ihrem Schokopudding, die Dealer mit ihrem Mokka und die Bullen mit ihrem unangetasteten Bier. Schmutzige gekachelte Wände, Limonadenkisten, Zombies mit leeren Augen und einer Ratte unter der Jacke. Und dazu der aromatische Geruch nach gut gewürzten Suppen, Hammelfett und Raki. Jeden Augenblick konnte der Laden explodieren, aber vorher wurde Kasse gemacht.
    »Eine Schlange hat eine Schlange im Maul?«
    »Probier diese Bohnensuppe, Claire, eine bessere bekommst du in ganz Berlin nicht. Genaugenommen ist es nur der Kopf einer Schlange, alles andre hat sie schon verschlungen. Das ist eine Königskobra, Harder. Königskobras ernähren sich nur von anderen Schlangen. Ich nehme an, als Reisender in Sachen Symbolik verstehst du die tiefere Bedeutung.«
    Ich nahm noch einen Schluck Mokka. »Der ewige Kreislauf. Ungeheuer frißt Ungeheuer. Doch das Ungeheuerste ist der Mensch.«
    »Das bestimmt. Schlangen sind keine Ungeheuer. Der Horror, der Ekel, den sie bei den meisten Menschen auslösen, beruht auf reinem Vorurteil und stupider Unkenntnis. Schlangen sind außerordentlich saubere, empfindliche, sicherheitsbedürftige Tiere, die seit Millionen Jahren überlebt haben, weil sie in gewissem Sinn perfekt sind.«
    »Und außerordentlich giftig.«
    »Mit denen muß man umzugehen verstehen. Aber das gilt auch für die Menschen.«
    »Und Miriam – Shiva – kann mit ihnen umgehen.«
    Er lächelte, aber im grellen Licht der Imbißstube sah sein breites Gesicht dabei schwammig aus, und die fast farblosen Wimpern über den kalten blauen Augen

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