Das Schlangenmaul
nicht darauf ankam, mich nach den Regeln des Internationalen Boxsportverbands zu richten.
»Seit wann kennen Sie das Mädchen, Harder?«
»Ungefähr seit einem halben Jahr.«
»Haben Sie die Kleine oft gesehen?«
»Oft genug, um sie identifizieren zu können.«
Wir befanden uns in einem engen Raum, der den Sektionssaal mit den übrigen Abteilungen verband. In der Ecke stand eine Bahre mit einem Toten, der zugedeckt war. An seinem großen Zeh hing ein rotes Plastikschild. Smetana fixierte mich.
»Jetzt hören Sie gut zu, Harder. Die Tote wurde heute Morgen gegen sechs Uhr von einem Boot der Umweltbehörde in Ufernähe des Hundekehlesees entdeckt. Die messen da die Wasserverschmutzung, verstehn Sie? Als sie ins Wasser geworfen wurde, war sie schon tot. Der Tod ist durch Erwürgen eingetreten, das läßt sich jetzt schon sagen. Sie kannten sie. Was für eine Art von Freier hat sie gehabt?«
»Sie meinen, ob ich sie auch mal mit der Peitsche bearbeitet habe?«
»Solange wir nichts wissen, sind wir auf Vermutungen angewiesen.«
»Kann man hier rauchen?«
»Wenn ich dabei bin, schon.«
Wir rauchten ein paar Züge. Trotz der Kälte spürte ich, wie der Schweiß mein Hemd am Körper fest pappte.
»Ich mochte das Mädchen«, sagte ich dann. »Im übrigen war sie eine ganz normale Nutte. Ich nehme an, für Geld hat sie Sachen gemacht, auf die ich im Traum nicht käme. Ich hab gehört, das sollen viele Leute machen. Sogar Kriminalbeamte.«
»Sie können von Glück sagen, daß meine Abteilung zuerst mit dem Fall befaßt war, Harder. Inzwischen führt die Mordkommission die Ermittlungen, und wenn ich Sie nicht kennen würde, säßen Sie jetzt auf einem Stuhl, der sehr hart sein kann. Besonders für Leute, die meinen, sie genössen eine Art Immunität.«
»Ich bin Ihnen wirklich dankbar, Herr Rat. Wann wurde Nuchali umgebracht?«
»Schätzungsweise in den frühen Morgenstunden. Im Wasser war sie jedenfalls höchstens zwei oder drei Stunden, so daß wir keine Schwierigkeiten mit den Fingerabdrücken hatten. Gegen neun Uhr hatten wir sie identifiziert. Sie war seit zwei Jahren in Berlin registriert. Diese Dame Glück hat ausgesagt, daß das Mädchen gestern Abend zwei Hotelbesuche hatte und danach nicht in den Puff zurückgekommen ist. Sie hat sich weiter keine Gedanken darüber gemacht, weil das Mädchen öfter mal eine Nacht außer Haus verbracht hat. Thais gelten in der Branche als unzuverlässig. Dabei fiel dann auch Ihr Name, Harder.«
»Ich hab ein Alibi für letzte Nacht, falls Sie das meinen.«
»Immer mit der Ruhe. Die beiden Hotelgäste haben wir schon befragt. Normalerweise hinterlassen die Mädchen, wohin sie gehen, und die im Puff machen einen Kontrollanruf. Die beiden Freier scheiden aus.«
»Dann braucht die Mordkommission doch nur herauszufinden, wo sie anschließend hingegangen ist. Hat Madame Glück dafür keinen Kontrollanruf?«
»Sie haben dafür sogar ein Buch, wo sie die Telefonnummern und Uhrzeiten eintragen. Für diesen dritten Besuch gibt es keine Eintragung.«
Ich trat meine Kippe aus, so wie Smetana es auch schon gemacht hatte. »Dann war das sicher ein Freier, den Nuchali schon lange kannte.«
»Wissen Sie etwas darüber, Harder?«
Ich hatte mich schon längst entschieden. »Ich weiß nur, daß sie gelegentlich einen Spezialkunden im Club Kamasutra hatte. Deswegen habe ich Sie ja auch neulich nach dem Klub gefragt. Aber Nuchali hatte noch nie irgendwelche Spuren von S/M-Behandlung. Jedenfalls nicht, wenn ich mit ihr zusammen war.«
»Wie oft war das?«
Ich versuchte eine Art Lächeln. »Ich kann mir das nicht so oft leisten, wie Sie vielleicht denken, Herr Rat.«
»Es könnte ja sein, daß die Kleine Ihnen einen Sondertarif eingeräumt hat.«
»Wollen Sie damit andeuten, daß ich ihr Zuhälter war?«
Sein Lächeln klappte besser. »Ich weiß doch, daß Sie ein richtiger Journalist sind, Harder, auch wenn Sie manchmal zu Methoden greifen, die bedenklich sind. Was macht denn die Geschichte mit dem vermißten Mädchen?«
»Ich stochere noch im Nebel, aber das kennen Sie ja.«
»Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich nicht weiterstochern.«
»Und warum nicht?«
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Heißt das soviel wie: Hände weg, sonst knallt’s?«
»Die Formulierungen überlasse ich Ihnen, Harder. Ich gebe Ihnen nur Hilfestellung. Aber vergessen Sie nicht: Wir brauchen vielleicht manchmal die Presse. Was wir aber nicht brauchen, sind Presseleute, die auf
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