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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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eigene Faust in Ermittlungen hineinpfuschen.«
    »Danke für den Tip, Herr Smetana.«
    »Für welchen Tip?«
    »Brauchen Sie mich noch?«
    »Was ich Sie noch fragen wollte, Harder: Worüber haben Sie sich mit dem Mädchen unterhalten? Sie soll doch ganz gut Deutsch gesprochen haben.«
    »Wenn wir uns unterhalten haben, dann über den Buddhismus. Die Thais sind Buddhisten. Sie glauben daran, daß wir an das Rad der Begierden geflochten sind, und wenn wir uns vollständig von allen Begierden gelöst haben, gehen wir ins Nirwana ein.«
    »Was hat man sich unter dem Nirwana vorzustellen?«
    »Ich glaube, nichts, was wir uns vorstellen können.«
    Ein Beamter erschien. »Wir wollen dann anfangen, Herr Kriminaloberrat.«
    »Ich komme gleich.« Er wandte sich noch mal mir zu. »Ich hoffe, Sie machen jetzt nicht den Fehler und spielen sich als Rächer auf, Harder.«
    »Ich bin doch nur ein Schreiber, Herr Rat.«
    »Wer immer das getan hat, wir kriegen ihn.«
    »Davon bin ich überzeugt.«
    »Und was immer Sie auf eigene Faust unternehmen, Harder, Sie kollidieren mit der polizeilichen Interessenlage – ganz abgesehen davon, daß auch das Milieu in solchen Fällen aktiv wird.«
    »Wie ich schon sagte, alles, was ich will, ist eine brauchbare Geschichte.«
    Er kniff die Augen zusammen, und das kalte Licht auf seiner Brille ließ sie funkeln. »Über den Fall ist eine Nachrichtensperre verhängt. Sie wissen ja, was das heißt.«
    »Herr Rat, ich arbeite doch nur für Monatszeitschriften.«
    »Wenn Sie auch nur das kleinste Wörtchen rauslassen, Harder, dann können Sie Ihre Zahnbürste gleich einpacken.«
    Noch mehr Drohungen. Bei all den Drohungen hätte ich längst so geduckt sein müssen, daß Albin, der Zwerg, neben mir wie ein Gigant aussehen würde.
    »Was passiert jetzt mit Nuchali?«
    »Zunächst mal kommt sie auf Eis nach der Obduktion. Wollen Sie die Leiche reklamieren?«
    Ich schüttelte den Kopf. Was man im Leben nicht gehabt hat, gibt einem der Tod erst recht nicht.

29
    Das Appartementhaus, in dem Jade Beinstein wohnte, lag in der Nürnberger Straße, ein schrundiger Riese aus Beton, eine Hochburg der Nachtjäger. Ich teilte den Fahrstuhl, dessen Metallverschalung mit obszönen Graffiti übersät war, mit einem superblonden Transvestiten und seinem Pudel, einem Junkie, der im Stehen döste, und einer Hure jenseits der Fünfzig in einem Draculacape, die alles auf die SPD schob, bis der Junkie im 9. Stock die Augen aufmachte und sagte: »Halt den Sabber, dumme Nuß.«
    Jades Appartement bestand aus einem Wohnzimmer mit Blick auf die Verkehrskreuzung und einem winzigen Balkon, dessen einziger Sinn darin liegen konnte, über die rostzerfressene Balustrade nach unten zu springen, einem gekachelten Bad, in dem noch das Parfüm der Vormieterin zu Hause war, einer Kochnische und dem Schlafzimmer, das groß genug für ein Bett, einen Videorecorder, das Telefon und eine Flasche Bacardi war.
    »Mach dir’s bequem«, sagte Jade, nachdem er mir sein Heim gezeigt hatte. Das Wohnzimmer glich meinem, nur daß Jade keine Umzugskisten herumstehen hatte. Fleckiger brauner Teppichboden, Stehlampe, an der noch das Preisschild hing, zwei funkelnagelneue Sessel aus imitiertem Leder, eine Sperrholzkiste, die als Tisch diente, eine Alu-Schale mit den Resten einer Mahlzeit, ich kannte das Zeug: Schlemmerfilet à la Bordelaise. Keine Bilder, keine Bücher, keine Hi-Fi-Türme.
    »Ich dachte, du hättest eine riesige Krimisammlung«, sagte ich, nachdem ich in einem der Sessel saß und eine Zigarette angesteckt hatte. Im einzigen Aschenbecher waren zwei Kippen mit rotem Mundstück. Ich erinnerte mich, daß Jade nicht rauchte. Er stand in dem Durchgang zur Kochnische und sah nach, was er mir anbieten konnte.
    »Alles eingebunkert, Harder«, sagte er. »Wertsachen gehören in den Safe, finde ich. Außer Cola scheine ich nichts dazuhaben. Und das ist auch noch Diätcola.«
    »Gerade richtig, Jade.«
    Er brachte zwei eiskalte Dosen Cola Light, und nachdem er auch saß und wir an dem Zeug genippt hatten, sagte er mit einem nervösen Lächeln und einer Handbewegung, die alles umfaßte: »Mir scheint einfach die Überzeugung zum Schöner Wohnen zu fehlen. Bett, Eisschrank, Video, ab und zu ein Buch – fürs Wirtschaftswachstum müssen die andern sorgen.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich könnte vielleicht deine Hilfe brauchen.«
    Er verschränkte die Finger, bis die Gelenke knackten, und sein Gesicht, das von Natur aus besorgt aussah, sah noch besorgter

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