Das Schlangennest
während sie Joyce auskleidete. "Aber du mußt dir deswegen keine Sorgen machen, Bobby. Ihr beide gehört für immer zu mir. Ich werde weder deine Schwester noch dich im Stich lassen."
"Da bin ich aber froh." Er schloß die Arme um sie. "Ich mag Onkel Ralph", bekannte er. "Und Joyce mag ihn auch."
Seine Schwester wachte auf. "Ich habe Durst", sagte sie.
"Da steht eure Milch." Robert nahm eines der Gläser und reichte es ihr. "Trink langsam", ermahnte er sie. Dann wünschte er eine 'gute Nacht' und verschwand in seinem eigenen Zimmer.
Schon bald lagen die Kinder in tiefem Schlaf. Joyce hatte ihre Milch bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken. Als Daphne noch einmal zu Robert ins Zimmer ging, stellte sie fest, daß auch er seine Milch getrunken hatte. Sie deckte ihn noch etwas besser zu und machte sich dann ebenfalls für die Nacht zurecht.
An und für sich hatte die junge Frau noch etwas lesen wollen, aber schon nach den ersten Seiten fielen ihr die Augen zu. So legte sie das Buch beiseite, blickte noch einmal zu Joyce hinüber und löschte das Licht. Es dauerte keine zwei Minuten, bis sie ebenfalls eingeschlafen war.
"Daphne! ... Daphne...!"
Die junge Frau drehte sich zur anderen Seite. Sie träumte von Ralph. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
"Daphne! Daphne!"
Daphne spürte die eisige Kälte, die plötzlich ihren Körper streifte. Sie hörte eine Stimme, die sie rief. Sie zwang sich aufzuwachen und sah die Gesichtslose Frau. Die Erscheinung schwebte neben ihrem Bett und wies nach rechts.
Mit einem Schlag war Daphne hellwach. Im Mondlicht b emerkte sie, wie sich eine vermummte Gestalt über Joyce beugte. "Was tun Sie da!" schrie sie auf und sprang aus dem Bett.
Die Gestalt drehte sich um. Fassungslos sah Daphne, daß es sich ebenfalls um eine Frau ohne Gesicht handelte. Nur im Gege nsatz zu der Erscheinung, die sie geweckt hatte, besaß diese Augen.
"Wer sind Sie?" fragte sie und wollte das Licht einschalten. Im selben Moment wurde sie von der Gestalt gepackt. Es war ein unwahrscheinlich brutaler Griff. Bevor sie sich noch von ihrem Schock erholen konnte, traf sie bereits ein schwerer Schlag im Nacken. Bewußtlos brach sie neben dem Bett zusammen.
Es dauerte fast zehn Minuten, bevor die junge Frau wieder zu sich kam. Sie schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen. Um sie herum schien sich alles zu drehen, dennoch schaffte sie es aufzustehen und das Licht einzuschalten.
Joyces Bett war leer.
Daphne stolperte in Roberts Zimmer. Ihr Neffe schlief tief und fest. Sie versuchte ihn wachzurütteln, aber es gelang ihr nicht. Plötzlich fiel ihr die Milch ein. Nancy stellte jeden Abend Milch für die Kinder und sie auf die Nachttische. Diesmal mußte die Milch ein starkes Schlafmittel enthalten haben. Nur gut, daß sie ihre nicht getrunken hatte.
Ohne sich erst einen Morgenrock überzuziehen, eilte die junge Frau zu Ralphs Zimmer. Sie schlug heftig gegen die Tür. "Mach auf!" rief sie. "Schnell, Ralph! Hilfe!"
"Daphne!"
Die junge Frau hörte, wie ihr Freund aus dem Bett sprang. Gleich darauf wurde die Tür aufgerissen. "Was ist passiert?" fragte er angstvoll.
"Joyce ist entführt worden." Aufgeregt berichtete ihm Daphne, wie sie aufgewacht war. Sie sprach von den beiden Gestalten und daß man sie niedergeschlagen hatte.
Ralph eilte mit ihr in Joyces Zimmer. Er kostete von ihrer Milch. "Sie hat einen leichten Nebengeschmack", sagte er, dann faßte er auf das Bett ihrer Nichte. "Es ist noch warm. Die Kleine kann nicht weit sein." Er stürzte zum Fenster.
"Daphne!"
Die junge Frau trat neben ihn. Deutlich erkannte sie unten im Park eine schwebende Gestalt. Sie schien ihnen zu winken. "Die Gesichtslose Frau", stammelte sie fast tonlos. "Sie hat mich ja auch geweckt. Sie will nicht, daß Joyce etwas passiert."
In aller Eile zogen sie sich etwas über, dann eilten sie zur Hintertreppe. Weder Daphne noch Ralph kamen auf die Idee, jemanden von der Familie oder der Dienerschaft zu wecken. Die Angst um Joyce trieb sie vorwärts. Sie spürten, daß sich das kleine Mädchen in höchster Gefahr befand.
Die Gesichtslose Frau schwebte vor ihnen durch den Park. Sie führte sie zu den Ruinen der alten Abtei.
"Psst!" machte Ralph. Ganz deutlich hatte er in der Nähe ein Knacken gehört. Er blickte zu der Erscheinung. Sie hatte sich in eine leere Fensteröffnung des verfallenen Glockenturms gesetzt. Es sah aus, als wollte sie von diesem Platz aus alles beobachten.
"Sie müssen ganz in der Nähe sein", flüsterte
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