Das Schlangennest
vermißt habe."
"Wir haben Ihnen alle Abbitte zu leisten", bemerkte sein Sohn. "Es war richtig, daß Sie mit der Kleinen zum Psychotherapeuten gegangen sind." Er bot Daphne die Hand. "Ich hoffe, Sie werden mir verzeihen."
Die junge Frau ergriff seine Hand, obwohl sie es lieber nicht getan hätte, aber das durfte sie sich nicht anmerken lassen. Zudem hatte Joyce in der Hypnose davon gesprochen, daß der Mörder ihres Vaters die Schuhe ihrer Mutter getragen hatte. Earl konnte es demnach nicht gewesen sein. Die einzige im Haus, die Lauras Schuhgröße hatte, war Isabel.
Auch wenn Daphne Isabel Hammond nach wie vor nicht mochte, sie konnte sich die junge Frau nicht als Mörderin vorste llen. Andererseits hatten auch schon Menschen, denen man es niemals zugetraut hätte, raffinierte Morde begangen. Vielleicht hatte Isabel gewußt, wieviel Geld ihr Sir Richard hinterlassen würde. Ihr Schwager konnte jedoch auch von ihrem Verhältnis mit Earl erfahren haben und sie hatte ihn ermordet, weil sie befürchtet hatte, er würde sein Testament ändern.
Daphne hoffte, daß sich Joyce mit der Zeit noch an weitere Einzelheiten der Mordnacht erinnern würde, obwohl ihr Dr. Miller da wenig Hoffnung gemacht hatte. Er glaubte nicht daran, daß Joyce bewußt viel wahrg enommen hatte.
"Wir können nur hoffen, daß jetzt alles gut wird", meinte Cla udine Forest und blickte ebenfalls zu den Kindern hinüber. "Sie haben soviel mitmachen müssen. Höchste Zeit, daß sie zur Ruhe kommen."
"Solange die beiden Morde nicht geklärt sind, wird wohl keiner von uns zur Ruhe kommen", sagte Mortimer Hammond grimmig. "Nach wie vor geht die Polizei auf unserem Besitz ein und aus, greift man in unser Privatleben ein."
"Die Zeitungen berichten immer noch über den geheimnisvollen Mörder, der auf Hammond Hall sein Unwesen treibt", warf Isabel ein. "In den meisten Artikeln ist sogar von der Gesichtslosen Frau die Rede. Ich begreife nicht, wie ein Mensch heutzutage immer noch an Geister glauben kann."
"Der Dummheit der Menschen sind keine Grenzen gesetzt", meinte Earl und legte den Arm um sie. Daphne hörte, wie er mit seiner Freundin leise über ein Pferderennen sprach, daß am da rauffolgenden Sonntag stattfinden sollte.
Sie verließ die Terrasse, um mit den Kindern ein Stückchen spazierenzugehen. Irgendwie mußten sie die Zeit bis zu Ralphs Ankunft überbrücken. Er wollte über das Wochenende bleiben und sie konnte es kaum noch erwarten, ihn wiederzusehen. Dabei war er nur zwei Tage in London gewesen, doch die Zeit ohne ihn e rschien ihr endlos.
"Wann kommen denn meine Gäste?" erkundigte sich Joyce aufg eregt.
"Nach dem Lunch", erwiderte ihre Tante. Sie hatten beschlo ssen, trotz allem Joyces Geburtstag gebührend zu feiern. Laura war tot, doch darüber durften sie nicht die Lebenden vergessen. Die Kinder mußten auf andere Gedanken gebracht werden und was gab es da Besseres, als eine Geburtstagsfeier.
"Als ich acht Jahre alt geworden bin, habe ich ein eigenes Pony bekommen", erzählte Robert. "Daddy hatte sich extra freigeno mmen und wir sind den ganzen Tag zusammengewesen." Er kämpfte mit den Tränen. "Ich wünschte, Daddy und Mommy würden noch leben. Sie hätten sich nur nicht so oft streiten dürfen."
Er blickte zu Daphne auf. "Warum tun Erwachsene immer ei nander weh?"
"Erwachsene sind manchmal dumm", behauptete Joyce. "So dumm."
"Seht, das Eichhörnchen!" Daphne wies nach rechts. "Schaut, jetzt springt es gerade die Eiche hinauf."
"Da, Joyce!" Robert umfaßte aufgeregt die Hand seiner Schw ester.
Daphne war froh, daß es ihr gelungen war, die Kinder abzule nken. Aber wie sie bald feststellen mußte, nicht für lange Zeit, denn beide verlangten, daß sie sich dem Friedhof zuwandten. Auf dem Weg dahin pflückten sie Blumen, die sie auf die Gräber ihrer Eltern legen wollten.
Kurz vor dem Lunch kehrten sie zurück. Sie hatten sich gerade etwas frisch gemacht, als auch Ralph eintraf. Er brachte für Joyce ein Kätzchen mit. Begeistert umarmte sie ihn. Sie hatte sich schon immer eine Katze gewünscht, doch ihr Vater hatte an einer Ka tzenallergie gelitten und keines dieser Tiere im Haus geduldet.
Das Mittagessen verlief in seltener Harmonie. Jeder der Forests und der Hammonds versuchte, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Aber sie konnten weder Daphne noch Ralph täuschen. Beide wußten nur zu gut, daß dieser Friede trog. Mit ihnen am Tisch saß ein Mörder.
Nach dem Essen sorgte Daphne dafür, daß sich Joyce für eine
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