Das Schlangennest
gutzumachen, Claudine", meinte Daphne. "Sie müssen doch zugeben, daß sie auf dem Besitz ihres Mannes nie willkommen war."
"Was werden Sie jetzt tun?"
"Sie meinen, ob ich auf Hammond Hall bleibe?"
"Ja." Claudine nickte.
"Immerhin haben Sie einen guten Beruf, den Sie sicher nicht aufgeben wollen, um während der nächsten Jahre für zwei Kinder zu sorgen."
"Es gab eine Zeit, da war meine Karriere für mich das Wichtigste auf der Welt, aber diese Zeit scheint eine Ewigkeit zurückzuliegen", erwiderte die junge Frau. Während der letzten Tage hatte sie immer wieder darüber nachgedacht, wie sehr sich ihr Leben seit ihrer Ankunft auf Hammond Hall geändert hatte. Da waren nicht nur die Kinder, sondern auch Ralph. Noch war sie sich nicht sicher, wie sie sich entscheiden würde, doch eines stand für sie schon jetzt fest, sie konnte und wollte sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Joyce und Robert brauchten sie.
"Dann wollen Sie also alles aufgeben?"
Es klingelte. Thomson kam aus den Wirtschaftsräumen. Aber Daphne war schneller als er gewesen. Sie hatte das Portal bereits geöffnet. "Wie schön, daß du schon da bist, Ralph", sagte sie zu dem jungen Mann. "Ich hatte erst zum Dinner mit dir gerechnet."
"Ich wußte, daß du mich brauchst", meinte Dr. Gregson und küßte sie leicht auf die Wange. Er war mit seinem Vater auf La uras Beerdigung gewesen und hatte ihn dann nach Barnstaple zurückgebracht. Er selbst wollte die Nacht auf Hammond Hall verbringen.
"Ich habe Ihr Zimmer bereits richten lassen, Sir", sagte Tho mson.
"Danke." Ralph nickte dem alten Butler zu, dann stieg er mit D aphne die Treppe zum ersten Stock hinauf.
Die Kinder rannten ihnen entgegen. Er hob Joyce hoch. Sie legte die Ärmchen um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn.
"Bleiben Sie wirklich in der Nacht bei uns, Mister Gregson?" fragte Robert. Er umfaßte Daphnes Hand.
"Ja." Der junge Anwalt strich ihm durch die Haare. "Im übr igen wäre es an der Zeit, daß ihr mich Onkel Ralph nennt." Er zwinkerte Daphne zu. "Meinst du nicht auch, Darling?"
"Ich habe nichts dagegen", erwiderte seine Freundin. Sie ahnte längst, daß Ralph an eine gemeinsame Zukunft mit ihr dachte. Aber sicher hatte er nicht damit gerechnet, sofort Vater von zwei Kindern zu werden.
"Hallo, Nancy!" grüßte er, als sie ins Spielzimmer traten. Er setzte Joyce auf ein weißes Schaukelpferd. "Wir werden uns dann um die Kinder kümmern." Er schenkte der alten Kinderfrau ein entwaffnendes Lächeln.
"Gut, Sir." Nancy ging hinaus. Sie schloß die Tür hinter sich.
"Ich habe etwas mit euch zu besprechen", sagte er und blickte erst Daphne, dann die Kinder ernst an. "Meine Freunde, die Whites, würden sich gerne während der nächsten Zeit um euch kümmern. Ihr mögt doch ihre Kinder Robin und Carolyn? Es würde euch sicher bei den Whites gefallen."
"Wann hast du mit ihnen gesprochen, Ralph?" erkundigte sich die junge Frau. Der Vorschlag ihres Freundes überraschte sie. Er hatte ihr kein Wort davon gesagt, daß er nach einem Platz für die Ki nder suchte.
"Als ich in Barnstaple war. Ethel White hat es mir selbst ang eboten." Er legte den Arm um sie. "Nachdem du dich weigerst, das Haus zu verlassen, sollten wenigstens die Kinder für einige Zeit woanders leben."
"Ich habe mir auch schon darüber den Kopf zerbrochen", gab Daphne zu. Sie sah Robert an. "Was hältst du davon, Bobby? R obin ist so alt wie du. Ihr werdet prächtig miteinander auskommen."
Robert rannte zu ihr. "Wir verlassen Hammond Hall nur, wenn du auch mitgehst, Tante Daphne", sagte er. "Ohne dich gehen wir nicht weg."
Joyce rutschte von ihrem Schaukelpferd. Sie klammerte sich so fest an ihre Tante, als würde ihr Leben davon abhängen.
"Siehst du, Joyce will auch nicht fort", erklärte Robert. "Wir gehen nicht ohne dich. Niemals."
"Sieht aus, als wäre die Sache entschieden", bemerkte Ralph resignierend. Sie konnten zwar die Kinder zwingen, Hammond Hall auch ohne Daphne zu verlassen, aber zumindest Robert würde bei der erstbesten Gelegenheit von den Whites ausrücken, um zurückzukehren.
22.
"Was hast du heute für ein hübsches Kleidchen an", meinte Dr. Miller, als Daphne ihre Nichte zwei Tage später zur Therapie brachte. Bewundernd berührte er den bunten Baumwollstoff des Oberteils.
Joyce schenkte ihm ein reizendes Lächeln. Sie wies auf ihre Tante.
"Deine Tante hat es dir gekauft?" fragte der Psych ologe.
Die Kleine nickte.
"So eine liebe Tante hätte ich auch gerne", meinte der Arzt.
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