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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Einschüchterungsaktion in besonders großem Maßstab. War’s das, Opa?«
    »Der Raketenschlag«, erinnerte Semetzki. »Und über die Abteilung an sich.«
    »Auf die Hauptstadt wurde eine Rakete abgefeuert, aber die Folgen sind unbekannt.« Natascha bedauerte das offensichtlich. »Als wir ein Vorratslager der Armee eroberten, fanden wir dort ›Samum‹-Raketen... Wir haben keine Verluste an Kämpfern, jedoch Kranke und Leichtverletzte, die Stimmung ist gut, wir sind bereit, unseren Dienst für das Imperium weiterzuführen.«
    »Prächtige Mädchen habe ich«, bekundete Semetzki stolz. »Früher hatte ich eine Enkelin, und jetzt – fünfunddreißig.«
    »Sagen Sie bitte, was geht eigentlich auf dem Planeten vor?«, fragte ich. »Im Imperium weiß man kaum etwas über die Ereignisse.«
    Semetzki holte tief Luft. »Wir verfolgen die Nachrichten... wissen also Bescheid. Es steht schlecht um den Planeten, Jungs. Unserer Meinung nach wurde die Bevölkerung einer Gehirnwäsche über die Neuroshunts unterzogen. Stimmt das?«
    Ich nickte.
    »Die Grundlagen dafür sind als Trojaner mit den auf Inej produzierten Programmen eingedrungen, der Neuroshunt diente als Detonator?«
    Ich nickte erneut.
    »Das ist schlimm.« Semetzki atmete ein. »Die Situation stellt sich folgendermaßen dar: Die Gehirnwäsche erfasste 85 bis 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Unter Erwachsenen verstehe ich alle Menschen, die älter als zehn Jahre sind, obwohl die Kleinen ebenfalls teilweise infiziert wurden. Diese Schweinehunde haben ihre Programme auch in Trickfilmen versteckt! Sogar in Lehrprogrammen für kleine Kinder. Retten konnten sich nur jene, die selten Unterhaltungssendungen oder populärwissenschaftliche Beiträge schauten. Leute, die an anderen Dingen interessiert waren, begeisterte Touristen, Sektenmitglieder, Workaholics, Naturliebhaber der Liga ›Zurück zur Natur‹. Aber auch sie konnten sich nicht lange halten. Erstens: Was kann man gegen die allgemeine Liebe zum Inej setzen? Gegen Mütter und Väter, Ehemänner und Ehefrauen, Kinder, Freunde, alle, die dich davon überzeugen, dass die Unterwerfung unter Inej der Sinn unserer Existenz sei? Zweitens: Es gibt so etwas wie Psychoinduktion. Wisst ihr, was das ist? Wenn ein gesunder Mensch in die Gesellschaft ausschließlich psychisch Kranker gebracht wird, dann wird er glauben, dass diese im Recht seien. Bedingung dabei ist, dass der Unsinn folgerichtig erscheint und von geachteten Leuten ausgeht. In ein paar Monaten wird die gesamte Bevölkerung von Neu-Kuweit Inej und dem Präsidenten ergeben sein.«
    »Ist der Präsident eine Frau?«, wollte ich wissen.
    Semetzki nickte. »Ja. Inna Snow.«
    Unwillkürlich musste ich lächeln.
    »Ein viel sagender Name« stimmte Semetzki zu. »Aber die Dame... Oho, die ist nicht unkompliziert...«
    »Und wie sieht sie aus?«, fragte ich nach.
    Semetzki fasste in seine Jackentasche und holte ein Blatt Papier heraus. Man konnte erkennen, dass es aus einer guten Zeitschrift herausgerissen war, das Foto war nämlich dreidimensional...
    Es zeigte eine mittelgroße Frau in weiter, weißer Kleidung inmitten fröhlich lächelnder Menschen: Militärs in Uniform, Zivilisten in Anzügen, Kosmonauten in Raumanzügen... An der einen Hand hielt die Frau einen kleinen Jungen in einem grellen Anzug, die andere legte sie einem Invaliden im Rollstuhl auf die Schulter. Aus den Augenwinkeln schaute ich auf den Rollstuhl Semetzkis – seiner war besser.
    Das Gesicht der Frau war jedoch von einem dichten, weißen Schleier bedeckt.
    »Was, hat niemand ihr Gesicht gesehen?« Ich wunderte mich.
    Semetzki nickte schweigend.
    »Vielleicht ist sie eine Fremde!«, rief ich. »Eine stinkende Tzygu im Raumanzug! Oder irgendwer anders!«
    »Das interessiert niemanden!«, erwiderte Semetzki. »Alle, die eine Gehirnwäsche erhalten haben, glauben daran, dass sie eine nette, gute und kluge Frau mittleren Alters ist. Siehst du, sie beäugen sie, wie die Hammel ein neues Tor.«
    »Schwachköpfe«, meinte ich. Ein unklares Gefühl drängte mich, zu Lion zu blicken.
    Lion war in das Foto versunken und lächelte verzückt, fast wie die Menschen um die Präsidentin Inna Snow herum.
    Ich zerknüllte das Blatt und gab es Semetzki zurück. Lion erbebte und das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht.
    »So sieht es also auf dem Planeten aus«, meinte der Unternehmer. »Warum lasst ihr euch so viel Zeit?«
    »Wir treffen keine Entscheidungen«, antwortete ich. »Wir haben unsere eigene

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