Das Schlangenschwert
größere Kompetenzen als ein beliebiger Polizist auf diesem Planeten.
»Du hattest Glück, Phag«, sagte der Bandit plötzlich, »du hattest einfach zufällig Glück.«
Seine Stimme war fast normal, wie bei einem gesunden und selbstbewussten Menschen. Ich ging schon auf die Tür zu, hielt es aber nicht aus und blieb stehen. Stasj warf einen kurzen Blick auf mich, sagte aber nichts.
»Meine Tätigkeit besteht gerade darin, das Glück zu nutzen«, äußerte Stasj, »bei dir scheint es umgekehrt zu sein. Wirst du reden?«
»Vielleicht soll ich auch noch tanzen?« Der Bandit grinste.
»Lass es sein, du hast ein schlechtes Taktgefühl.«
Stasj rückte einen Stuhl zurecht und setzte sich dem Gefangenen gegenüber.
»Warum nur wolltest du den Jungen töten? Er war zufällig hier und kein Gegner für dich.«
»Er hat keine Bedeutung«, antwortete der Bandit gleichgültig, »du bist der Feind, er ist ein Niemand.«
»Eine bekannte Logik«, nickte Stasj, »aber bisher galten die Alten als eure ›Niemande‹ und die Kinder ließt ihr am Leben.«
»Es gibt Ausnahmen«, erwiderte der Bandit. »Vielleicht sollte man doch einen Arzt rufen, Dshedai?«
»Wozu brauchst du einen Arzt?«, wunderte sich Stasj. »Es gibt keine Blutungen und mit Endorphinen hast du dich selbst versorgt.«
Der Bandit grinste wieder.
»Ich habe nicht vor, dich zu töten«, sprach Stasj, »du bist nur eine kleine Leuchte, ein Bauer im Spiel. Wenn auch am richtigen Platz. Aber etwas hätte ich gern geklärt. Tikkirej!«
»Ja, Kapitän«, antwortete ich schleunigst.
»Es ist richtig, dass du nicht gehst. Warte noch ein Weilchen.«
Er stand auf, ging nahe an den Banditen heran und legte ihm die Hand auf die Stirn. Vielleicht schien es mir nur so, aber in den Augen des Banditen blitzte plötzlich Angst auf.
»Du bist doch blockiert«, meinte Stasj, »nicht wahr?«
Der Bandit schwieg. Es ruckte, als ob er sich losreißen wollte.
»Wenn ich dir aber bestimmte Fragen stelle, wirst du ein großes Bedürfnis verspüren zu antworten«, fuhr Stasj freundlich fort. »Ganz bestimmt. Und du beginnst zu reden und wirst sterben. Ist es nicht so?«
»Ja.« Der Bandit leckte seine Lippen.
»Ich wiederhole: Du hast eine Chance, am Leben zu bleiben. Ich kann dir auch etwas modifizierte Fragen stellen, deren Antworten nicht zu deinem Tod führen. Also entscheide dich. Der Handel ist nützlich für mich – ich werde zumindest einen Teil der Information erhalten. Und du – du bleibst am Leben. Wenn du ein hochrangiger Agent bist, und mir kommt es so vor, als wäre dem so, dann wurde dein Selbsterhaltungstrieb nicht vollständig gelöscht. Entscheide dich!«
»Was sind es für Fragen?«, wollte der Bandit wissen.
»Dein Rang?«
»Leutnant des Auslandssicherheitsdienstes von Inej.«
»Name?«
»Karl.«
Stasj nickte: »Du könntest diesem Jungen wohl keinen Rat geben, Leutnant Karl? Er hat vor, die Staatsbürgerschaft von Neu-Kuweit anzunehmen. Lohnt sich das für ihn?«
»Diese Frage ist an der Grenze der Blockade!«, erwiderte Karl schnell.
»Aber doch noch nicht hinter der Grenze? Stell dir vor, dass dieses Kind dein Sohn wäre oder dir bei irgendetwas sehr geholfen hätte. Was würdest du ihm empfehlen?«
»Ein Ticket zu kaufen und zum Avalon zu fliegen«, antwortete Karl scharf. »Ist das alles, Dshedai?«
»Sollte er jetzt schlafen gehen oder besser ein Taxi rufen und zum Kosmodrom fahren?«
»Also das weiß ich nicht.« Karl neigte sich nach vorn. »Glücklicherweise weiß ich es nicht, sonst hättest du mich getötet! Phag, das ist ein unfaires Spiel!«
»Gut, gut, wir machen Schluss«, sagte Stasj beruhigend. Seine Stimme veränderte sich plötzlich, vibrierte, als würde sie durch ein Computerprogramm mit Stimmenverzerrer geleitet. »Übrigens, warum ist dieser Junge ein ›Niemand‹ für Inej?«
»Er hat...«, erwiderte Karl ebenso schnell. Und verstummte – seine Augen wurden gläsern, der Kiefer klappte herunter und er hing tot an der Wand.
»So ein Pech«, meinte Stasj und blickte auf den leblosen Leutnant vom Planeten Inej, »was für ein Pech!«
»Sie wussten, dass er durch diese Frage stirbt!«, schrie ich. »Kapitän Stasj, Sie haben ihn getötet!«
»Ja.« Stasj nickte. »Ich hatte gehofft, dass er es schafft, zu antworten, sein Organismus war mit Hormonen voll gestopft. Die Blockade war zu gut.«
»Sie haben ihn getötet«, wiederholte ich.
»Ja, Tikkirej.« Stasj sah mich an. »Er hat Dutzende Leben auf dem Gewissen,
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