Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
ob alle schlafen wollten... und sich eiligst auf den ersten besten Platz gelegt hätten.«
    Er hatte Recht. Mir fielen einige Leute auf, die auf dem Fußgängerweg lagen und ihre Diplomatenkoffer, Taschen oder Aktenkoffer unter den Kopf gelegt hatten. Ein betagter Mann hatte sogar seinen Mantel auf dem Rasen ausgebreitet und aus dem offenen Koffer seine Nachtmütze herausgeholt – ohne sie noch aufsetzen zu können. Über ihn hätte man lachen können, wenn das Ganze eine Fernsehkomödie gewesen wäre.
    Ich eilte Stasj hinterher und sah mich aber um, um mir so viel wie möglich einprägen zu könnte. Warum genau, wusste ich selbst nicht. Deshalb erblickte ich gleichzeitig mit dem Ritter einen normalen Menschen.
    Es war ein alter Mann im Rollstuhl. Er kam langsam aus einem der Flughafengebäude und schaute sich um. Als er uns erblickte, rief er sofort erstaunlich kräftig: »Warten Sie! Bleiben Sie stehen!«
    Wir stoppten. Mir fiel auf, dass Stasj sehr ruhig blieb, als würde er keinen Hinterhalt erwarten.
    Der Rollstuhl erhöhte seine Geschwindigkeit und näherte sich uns. Der Alte schaute Stasj sofort argwöhnisch an und fragte:
    »Wohin verschleppen Sie dieses hilflose Kind?«
    »Dreimal dürfen Sie raten, wohin man in dieser Situation jemanden verschleppen könnte«, erwiderte Stasj, »vielleicht in ein Heim für durchgedrehte Kinder? Auf den Sklavenmarkt? Oder vielleicht doch egal wohin, Hauptsache weit weg von hier?«
    Der Alte nickte. Er war sehr alt, aber nicht hinfällig. Er trug einen teuren Anzug mit Manschettenknöpfen aus Edelsteinen, eine die Farbe ändernde Krawatte und Schuhe aus avalonischem Eidechsenleder, die in der Dunkelheit leuchteten. Und sein Rollstuhl kostete bestimmt mehr als jedes Auto. Nur sein Shunt war so alt wie er selbst: mit fünf Zentimetern Durchmesser und einigen Typenbausteinen, die schon lange nicht mehr eingesetzt wurden. Sogar auf Karijer hatte ich diese Shunts selten gesehen.
    »Ich heiße Juri«, sagte der Alte, »Juri Semetzki junior, ganz zu Ihren Diensten.«
    »Stasj«, antwortete der Phag, »und das ist Tikkirej, der schlafende Junge heißt Lion. Benötigen Sie Hilfe?«
    Der Alte schüttelte den Kopf:
    »Nein, vielen Dank. Wir sind im Kosmodrom ungefähr zweihundert Leute, die nicht eingeschlafen sind. Wir nehmen alle den Liner Astrachan, er hat das größte Fassungsvermögen. Da ich kaum in der Lage bin, schwere Sachen zu tragen, fahre ich auf dem Territorium des Kosmodroms herum und suche normale Menschen. Die anderen packen die Schlafenden ins Raumschiff. Soviel wir in der verbleibenden Zeit schaffen. In anderthalb bis zwei Stunden werden wir starten.«
    »Oho!«, Stasj war wirklich erstaunt. »Das ist gut so. Viel Erfolg für Sie!«
    »Wollen Sie sich uns nicht anschließen?«, wunderte sich der Alte.
    »Nein, danke. Ich habe mein eigenes Schiff. Ein superkleines, sodass ich keine Mannschaft benötige. Die Jungs nehme ich auch mit.«
    »Wäre es nicht vernünftiger, sich uns anzuschließen?«, fragte Juri. »Wir haben Piloten, Navigatoren...«
    »Nein«, beendete Stasj das Gespräch, »Ich ziehe es vor, mich auf die eigene Kraft zu verlassen. Und Ihnen würde ich raten, so schnell wie möglich zu starten und mit dem gefährlichen Samaritertum aufzuhören.«
    »Sie sollten das nicht unterbewerten!«, rief der Alte aus. »Wenn es im Maßstab des Planeten auch nur ›Peanuts‹ sind, wir tun, was wir können.«
    »Sind Sie wenigstens bewaffnet?«, erkundigte sich Stasj.
    Der Alte lachte auf.
    »Seien Sie vorsichtig«, sagte er zu Stasj, »sehr, sehr vorsichtig...«
    Mit dem letzten Wort änderte sich seine Stimme wieder unmerklich und das Lächeln verschwand vom Gesicht des Alten. Ziemlich durcheinander rückte der das Kabel des Neuroshunts zurecht und rief:
    »Teufel, du bist doch ein avalonischer Phag! Was ist hier los? Eine Epidemie? Eine Aggression der Fremden?«
    »Ich weiß es noch nicht. Komm, Tikkirej!«
    Ich lief hinter Stasj her und wälzte eine Idee im Kopf hin und her, die mir eben gekommen war. Irrsinnig, aber...
    »Teilen Sie dem Imperator so schnell wie möglich mit, was passiert ist!«, schrie uns der Alte nach. »Klar? Seit siebzig Jahren spende ich Geld für euren dämlichen Orden! Seid Ihr wenigstens zu etwas nutze?«
    Wir gingen ins Gebäude hinein – die Automatiktüren arbeiteten wie gewohnt. Der Alte fuhr weiter.
    »Ich habe ihn einige Male auf dem Avalon gesehen«, teilte Stasj unerwartet mit, »ein Tierproduzent, Schweinezüchter. Es hat ihn

Weitere Kostenlose Bücher