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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Kopf. Der Kopf erhob sich von Zeit zu Zeit, aber die Schlange lag ruhig da.
    »Reparieren, Tikkirej. Die Peitsche ist mehr Maschine als Lebewesen... Nein, das geht nicht. Rein theoretisch...«, Tarassow grübelte, »rein theoretisch auch nicht. Außerdem wäre es ökonomisch unvorteilhaft. Weißt du, warum außer den Phagen niemand Plasmapeitschen benutzt?«
    »Es ist ein militärisches Geheimnis.«
    »Nun, eine Reihe von Studien ist wirklich geheim, aber wir hatten den Diensten des Imperiums Muster überreicht und manchmal kommen Phagen um... und die Waffe fällt in die Hände des Feindes. Es ist so, Tikkirej, dass die Nutzung der Peitsche äußerst kompliziert und die Herstellung unglaublich teuer ist. Jeder beliebige Terrorist oder Agent zieht es vor, sich mit einer einfacheren und dabei trotzdem starken Waffe auszurüsten.«
    »Warum aber benutzen dann die Phagen eine Peitsche?«
    »Hast du jemals eine Peitsche im Einsatz erlebt?«, fragte Boris Petrowitsch ironisch, »nicht auf der Versuchsstation, sondern in Wirklichkeit, in den Händen eines erfahrenen Phagen?«
    »Ja, hab ich.«
    Tarassows Lächeln erlosch. »Verzeih, Tikkirej, ich habe nicht daran gedacht. Also, war das beeindruckend?«
    »Und wie!«
    »Darum geht es auch. Ein Phag muss von Legenden umgeben sein. Von Achtung, Furcht und Unverständnis. Deshalb ist eine Plasmapeitsche nützlicher als der beste Blaster. Deshalb sind die Phagen mit Plasmapeitschen bewaffnet, von denen jede einzelne so viel wie ein Panzer des Imperiums kostet.«
    »Oho!«, rief ich aus.
    »Und die Reparatur einer Peitsche«, fuhr Tarassow fort, »würde der Herstellung von zehn Panzern entsprechen. Das ist ja auch Genchirurgie auf höchstem Niveau! Also...«, er senkte seine Hände auf die Tastatur, aus dem Drucker kroch ein Blatt Papier und der Bildschirm erlosch, »schreiben wir das Aussonderungsprotokoll.«
    Schreiben mussten wir fast gar nichts. Im fertigen Vordruck waren bereits die vollständigen Angaben über den Defekt der Peitsche, mögliche Gründe für dessen Auftreten sowie eine Empfehlung zur Vernichtung enthalten. Wir ergänzten lediglich einige Punkte (Tarassow ergänzte und ich nickte gehorsam als Antwort auf seine Erklärungen), unterschrieben und setzten unsere Fingerabdrücke an die in der Akte dafür vorgesehenen Stellen.
    Danach legte Tarassow das Formular in den Scanner und verschwand in die Kantine, um Kaffee zu holen.
    Ich ging näher an die Analyseplattform heran und schaute das Schlangenschwert durch das Sicherheitsglas an. Vielen gefallen Schlangen nicht, mir auch nicht, aber die Peitsche war ja weder ganz Schlange noch ganz Maschine. Sie war eine Legierung aus Biopolymeren, Mechanik und Nervenfasern, übrigens nicht einer Schlange, sondern einer Ratte. Man vertrat die Auffassung, dass Plasmapeitschen vom Intellekt her eher einer Ratte als einer Schlange ähnelten.
    »Du hattest kein Glück«, sagte ich der Schlange, »du Unglücksrabe.«
    Die Peitsche bildete einen Ring und steckte den dreieckigen Kopf in die Mitte. Als ob sie meine Worte verstanden hätte. Die winzigen Punkte ihrer Sehapparatur blinkten im Lampenlicht.
    Der Drucker begann zu summen und spuckte ein neues Exemplar der Abschreibungsverfügung aus. Bereits mit der Stellungnahme der Buchhaltung.
    »Trinkst du einen Kaffee, Tikkirej?«, fragte Tarassow, als er zurück war.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann werde ich eine Tasse mehr trinken«, beschloss mein Chef zufrieden, »heute habe ich schlecht geschlafen. Entweder sind es die Druckschwankungen, oder...«
    »Haben Sie zu hohen Blutdruck?«
    »Was denn für hohen Blutdruck, Gott behüte! Der atmosphärische Druck schwankt, Tikkirej.«
    Ich wurde rot und rechtfertigte mich: »Bei uns leben alle unter Kuppeln, dort ist der Luftdruck stabil. Ich hatte nicht daran gedacht.«
    Tarassow lachte auf, trank einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse zurück und öffnete den Analysekasten. Er fasste die Peitsche am Schwanz an und reichte sie mir. »Halt mal! Hab keine Angst, die Hauptbatterie ist entfernt worden, also kann sie kein Plasma spucken.«
    Vorsichtig hielt ich die Schlange mit beiden Händen. Sie fühlte sich warm und weich an.
    »Wo der Utilisator ist, weißt du?«, fragte mich Tarassow. »Dann vorwärts. Völlige Zerstörung. Bring die Quittung mit.«
    Ich nickte und ging aus dem Raum, wobei ich die Peitsche auf ausgestreckten Händen vor mir hielt. Der Utilisator stand am Ende des Korridors in einem kleinen Stübchen neben den

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