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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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murmelte ich. »Es ist... es ist wegen meiner Eltern.«
    Ich verstummte und Lion kam mir zu Hilfe:
    »Sie sind gestorben, das hast du gesagt. Das tut mir sehr leid, aber musst du deshalb etwa dein Leben riskieren?«
    »Du weißt nicht alles. Sie sind nicht einfach gestorben, Lion. Bei uns ist das so... Jeder Mensch bekommt ein bestimmtes Guthaben für die Nutzung der Lebenserhaltungssysteme. Für gefilterte Luft, Wasser und Schutz gegen die Radioaktivität. Das Guthaben ist für ein ganzes Leben bestimmt, deckt aber nur einen Teil der Ausgaben. Den Rest muss man erarbeiten. Meine Eltern hatten ihre Arbeit verloren... und ihre gesamte Sozialration verbraucht. Als ihnen klar wurde, dass sie nie wieder Arbeit finden würden...«
    »Sie... wurden ermordet?« Lion bekam große Augen.
    »Nein. Man hätte uns aus den Kuppeln vertrieben. Die Eltern und mich. Und außerhalb der Kuppeln lebt man nicht lange. Deshalb gingen meine Eltern ins Euthanasie-Zentrum, es nennt sich Haus des Abschieds. Das restliche Guthaben überschrieben sie auf mich, damit ich groß werden und eine Arbeit finden könnte.«
    Lion wurde ganz blass.
    »So ist das bei uns«, meinte ich. »Na, wir haben nun einmal so einen Planeten, der nicht für Menschen geschaffen ist, verstehst du?«
    »Tikkirej...«
    »Ist schon gut.« Ich sah wieder aus dem Fenster. »Ich hätte an ihrer Stelle dasselbe gemacht. Und jetzt denke ich mir, ihr Opfer darf doch nicht umsonst gewesen sein!? Nicht nur dafür, dass ich am Leben bleiben konnte. Ich muss etwas Größeres leisten! Etwas wirklich Bedeutendes! Zum Beispiel, den Phagen bei der Beseitigung einer riesengroßen Ungerechtigkeit helfen.«
    »Möchtest du denn nicht auf deinen Planeten zurückkehren und allen dort helfen?«, wollte Lion wissen.
    »Wie denn helfen? Wir haben eine Demokratie. Jeder kann den Planeten verlassen, wenn es ihm dort nicht gefällt. Wir stimmen selbst über die Sozialleistungen ab. Und die Sozialarbeiter sind durchaus keine Unmenschen. Gegenwärtig wird darüber diskutiert, das Guthaben aufzustocken. Vielleicht werden dann in rund hundert Jahren Luft und Wasser kostenlos sein.«
    Lion schüttelte den Kopf: »Soll das eine Rechtfertigung sein?«
    »Nein, das ist keine Rechtfertigung. Es hat sich ganz einfach so entwickelt. Schau her, der Avalon ist ein sehr reicher Planet. Und hier gibt es noch massenhaft Platz. Man könnte alle unsere Bewohner hierher umsiedeln. Aber niemand macht das. Soll ich deshalb allen böse sein? Den Phagen, dem Imperator, den Bewohnern des Avalon?«
    »Wofür soll man denn dann überhaupt kämpfen? Was haben die Phagen dann gegen Inej? Inej behelligt niemanden!«
    »Inej lässt dir keine Wahl. Er nimmt die Freiheit.«
    »Man könnte ja glauben, dass ihr auf Karijer eine Freiheit hättet!«
    »Haben wir.«
    »Und was ist das für eine Freiheit?«
    »Eine miese. Aber trotzdem – eine Freiheit.«
    Plötzlich begann mein Augenlid zu zucken. Ohne ersichtlichen Grund. Sicher fiel es mir schwer, meine Heimat zu verteidigen. Eine armselige Heimat, die mich Mutter und Vater gekostet hat und doch...
    »Tikkirej... sei mir nicht böse«, murmelte Lion. »Vielleicht liege ich falsch, aber es ist schwer zu verstehen.«
    »Um das zu verstehen, muss man bei uns leben«, erwiderte ich. »Du, zum Beispiel, hast darum gebeten, dass auf eurer Station eine echte Nacht und echter Schnee eingeführt werden. Und dir wurde erklärt, warum das nicht möglich ist. Ich habe mit Stasj einmal darüber geredet... Wir haben fünf Stunden zusammengesessen. Weißt du, es ist sehr einfach, einem Einzelnen zu helfen. So, wie Stasj mir und dir geholfen hat. Wenn jedoch eine ganze Welt Hilfe braucht, auch so eine kleine wie Karijer, kann ein Mensch allein nichts ausrichten. Nein, er kann nur alles durcheinanderbringen, zerstören, eine Revolution entfesseln. Aber das ändert nichts zum Besseren. Etwas Besseres kann nicht aufgezwungen werden. Es ist notwendig, dass sich die Menschen selbst verändern und ihr Leben aus eigenen Kräften ändern wollen. Du hast doch Unterricht in Geschichte gehabt? Im Zeitalter des dunklen Matriarchats hätten wir beide ein Hundehalsband getragen und uns vor jedem Mädchen verbeugt. Und hätten uns dafür geschämt, dass wir als Männer geboren wurden. Und schon damals gab es die Phagen. Auch sie trugen Halsbänder, kannst du dir das vorstellen? Und verbeugten sich. Und verteidigten die Zivilisation. Obwohl sie eine Revolution hätten auslösen können.«
    »Das dunkle

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