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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mit einem Beil wies mit seinem kapuzenbedeckten Kopf auf den dunklen, zerhackten Richtblock – nimm Platz, mach deinen Nacken frei. Die Menge war erregt, alle standen auf Zehenspitzen und gafften mich an. Und nur ein Mensch, Stasj, lächelte nicht und freute sich nicht über das Geschehen.
    »Nehmen wir an«, fuhr Ramon fort, »Stasj ist ein erfahrener und erfolgreicher Phag. Er weiß, dass das Ganze wichtiger ist als das Einzelne. Er lässt den Dingen seinen Lauf und kommt nach Avalon zurück. Und was wird danach aus ihm, Tikkirej, was glaubst du? Wie lange wird er sich quälen? Was wird er in Zukunft noch für ein Mitarbeiter sein?«
    Ich schwieg. Ich wusste wirklich nicht, was Stasj dann für ein Mitarbeiter sein würde, wenn ich vor seinen Augen hingerichtet würde und er sich nicht zu erkennen geben dürfte. Vielleicht geschah auch gar nichts Außergewöhnliches. Sogar unsere Nachbarin Nadja sagte mir an einem Abend mehr Koseworte als Stasj in einem ganzen Monat!
    Ramon verstand mein Schweigen auf seine Art.
    »Und genau darin besteht die Problematik unserer Arbeit, Tikkirej. Das, was dir teuer ist, muss entweder weit entfernt oder in Sicherheit oder in deiner eigenen Seele verschlossen sein. Das ist eine uralte Kundschafterregel. Und wir ähneln in Vielem eben diesen Kundschaftern...«
    »Hat Stasj unseretwegen Schwierigkeiten bekommen?«, wollte ich wissen. »Weil er uns aus Neu-Kuweit mitgebracht hat?«
    Ramon schaute mich herablassend an.
    »Schwierigkeiten? ... Aber nein, wieso denn! Alles war professionell gemacht und durchaus begründet.«
    »Und warum sagen Sie mir dann solche Dinge? Für alle Fälle? Oder für die Zukunft?«
    Ramon warf mir einen Blick zu.
    »Deshalb, Tikkirej, damit du nichts Unmögliches erwartest. Und nicht auf Unterstützung durch Stasj oder mich rechnest.«
    »Das erwarte ich auch nicht.«
    Es schien, als ob Ramon etwas verärgert wäre.
    »Tikkirej, halt uns aber bitte nicht für herzlos! Wir können nicht das Schicksal von Millionen wegen eines einzelnen Menschen riskieren. Deshalb bieten wir dir auch an, von der Mission zurückzutreten.«
    Ich schüttelte an Stelle einer Antwort meine Hand. Die Schlange steckte ihren Kopf aus dem Ärmel, schaute sich um und verschwand wieder.
    Ramon fragte: »Hast du wirklich nicht lange genug mit Spielzeug gespielt? Tikkirej, die Peitsche ist nichts weiter als ein Spielzeug! Wenn auch ein todbringendes.«
    »Ich hatte nur wenig Spielzeug«, erwiderte ich. »Spielzeuge gehören nicht zum sozialen Mindestbedarf.«
    Ramon schaute weg und meinte: »In Wirklichkeit droht euch keine Gefahr. Selbst wenn sie euch fassen sollten... Die Agenten des Inej können grausam sein, Sie sind aber keine blutrünstigen Mörder.«
    Ich erwiderte nichts, erinnerte mich aber an den Agenten, den Stasj getötet hatte, und an dessen Worte: »Dieser Junge hat keine Bedeutung für Inej«.
    Bis nach Hause schwiegen wir. Den ganzen Weg über träumte Lion süß und bekam gar nichts von unserem Gespräch mit.
    Ramon hielt vor dem Haus, stieg gemeinsam mit uns aus und begleitete uns zur Wohnung. Als ob er einen Hinterhalt im Treppenhaus erwartete. Danach umarmte er uns schweigend und ging, ohne sich zu verabschieden.
    Wir legten uns schlafen. Stasj kam früher als vorgesehen, um halb zehn. Ich hatte bereits gepackt, stellte die Wohnungsautomatik auf Warteregime, kontrollierte, ob alle Fenster geschlossen waren, und zog mich für die Fahrt an. Wir nahmen keine Kleidung mit, auf dem Raumschiff würden wir etwas bekommen, das zu unserer Legende passte. Lion bummelte noch im Bad herum. Er war so ein Sauberkeitsfanatiker geworden, dass man verrückt werden konnte: Seine Zähne putzte er dreimal am Tag, war nicht glücklich, wenn er nicht morgens und abends duschen konnte, seine Nägel schnitt er so weit wie möglich herunter und auch seine Haare waren sehr kurz. Es kam mir so vor, als ob das bei ihm eine Folge der Arbeit im Dauerbetrieb wäre, aber ich sprach nicht darüber.
    »Seid ihr fertig?«, fragte Stasj ohne wirkliches Interesse, eher der Ordnung halber, und blieb in der Tür stehen.
    »Na klar!«, ich wies mit dem Kopf auf die Badtür. »Gleich, er ist gleich fertig.«
    Stasj nickte. Aus dem Badezimmer hörte man Wasser rauschen und ein Blubbern – Lion versuchte zu singen, während er die Zähne putzte.
    »Habt ihr Angst?«, wollte Stasj wissen.
    »Ich hatte niemals Angst vor dem Fliegen«, sagte ich ärgerlich. »Und Lion ist im Kosmos aufgewachsen, auf einer

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