Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
Matriarchat war notwendig«, sagte Lion. »Das wird allgemein anerkannt. Damals gab es nämlich Kriege und ohne die Frauen hätte sich die Menschheit selbst ausgelöscht. Und als die feministische Liga die Macht im Arabischen Imperium übernahm...«
    »Streber!«, machte ich mich lustig.
    »Jedenfalls war das Matriarchat am Anfang fortschrittlich«, fuhr Lion fort. »Aber was hat das mit Karijer und eurer Ordnung zu tun? Wozu wird so etwas gebraucht, kannst du mir das erklären?«
    »Es könnte sein, dass die Menschheit irgendwann den Gürtel enger schnallen muss. Wenn uns zum Beispiel die Fremden einen Teil der Planeten abnehmen und die Menschheit auf schlechtere Planeten ohne ausreichende Ressourcen ausweichen muss. Dann wird eine ausgearbeitete soziale Überlebensstrategie notwendig sein. So wie auf Karijer. Stasj meint, dass die ganze Menschheitsgeschichte einem Tanz auf dem Schnee ähneln würde.«
    »Wem?«
    »Einem Tanz auf dem Schnee. Die Menschheit versucht schön und gut zu sein, obwohl es dafür keine Basis gibt. Verstehst du das? Als ob eine Ballerina im Ballettröckchen versuchen würde, auf Schnee zu tanzen. Aber der Schnee ist kalt. An manchen Stellen verkrustet, an manchen wiederum weich, und an manchen Stellen bricht sie ein und verletzt sich die Füße. Aber trotzdem muss sie versuchen weiterzutanzen, besser zu werden. Wider die Natur, im Kampf gegen alles. Sonst bleibt ihr nur noch übrig, sich in den Schnee zu legen und zu erfrieren.«
    »Wenn du meinst... Es ist logisch, dass die Welt nicht von Anfang an perfekt sein kann. Alles Mögliche kann passieren. Aber es geht doch nicht, dass man experimentelle Planeten schafft, auf denen Menschen leiden müssen!«
    »Das macht auch niemand mit Absicht«, antwortete ich. »Sie entstehen von selber. Genau das bedeutet Geschichte, Lion. Die Menschen haben schon immer eigenartige Gesellschaftssysteme geschaffen, schon als sie nur auf einem Planeten lebten. Normalerweise gingen diese Gesellschaftsordnungen wieder unter, aber manchmal erwiesen sie sich als notwendig.«
    »Okay, früher waren die Leute eben zurückgeblieben!« Lion machte eine energische Handbewegung. »Aber jetzt haben wir die passende Gesellschaftsordnung. So wie hier!«
    »Ja. Und auf Neu-Kuweit ist sie wieder etwas anders. Auf der Erde und dem Edem auch. Und jeder lebt dort, wo es ihm gefällt. Darin ist nichts Schlechtes. Wenn jedoch überall die gleiche Gesellschaftsstruktur bestehen würde, hätten viele Leute Probleme damit. Selbst wenn diese Gesellschaftsordnung die beste von allen wäre. Auf Avalon ist zum Beispiel die Vielehe verboten, aber vielleicht gibt es jemanden, der gleichzeitig zwei Frauen liebt? Und was wird dann mit ihm, soll er das ganze Leben lang darunter leiden?«
    Lion kicherte und meinte: »Mein Gott, das sind vielleicht Probleme...«
    »Genau aus diesem Grund sind die Phagen wegen Inej beunruhigt«, erläuterte ich. »Vielleicht will Inej wirklich nichts Schlechtes. Und auf ihren Planeten ist die Lebensqualität auch nicht gesunken. Aber wenn das gesamte Imperium identisch sein wird, muss es früher oder später untergehen.«
    »Das hast du alles von Stasj.«
    »Ja. Denkst du, Stasj wäre ein Dummkopf? Wenn Inej den Menschen nicht das Gedächtnis programmiert hätte, sondern darum geworben hätte, sich ihnen anzuschließen, wäre niemand gegen das Vorhaben gewesen. Alle hätte man nämlich nicht überreden können.«
    Lion neigte den Kopf, war aber nicht überzeugt. Sicher erinnerte er sich an seine Träume, in denen er für Inej gekämpft hatte.
    »Wir müssen los, es ist Zeit«, sagte ich. »Iss deine Tortillas auf!«
    »Ach, ich habe keinen Appetit mehr...« Lion stand auf, streckte seine Arme nach vorn und lehnte sich an die Glaswand. Dort stand er eine Weile und schaute auf den fallenden Schnee. Dann sagte er: »Ich hätte es trotzdem gern, dass es allen gleich gut geht.«

Kapitel 6
    Die halbe Nacht durch saßen wir am virtuellen Simulator. Ob es nun wirklich genutzt oder ob die Phagen etwas zu unseren Gunsten geändert hatten, dieses Mal jedenfalls endete alles erfolgreich. Uns glaubte man, abgerissen, schmutzig und hungrig, wie wir waren. Zuerst wurden wir einem strengen Verhör unterzogen, danach in ein Gefangenenlager überstellt, wo wir in einer Chemiefabrik arbeiteten. Nach zwei Wochen hatten wir herausgefunden, dass die Macht auf Inej von Fremden erobert worden war – entweder von den Tzygu oder den Brauni. Eben sie hatten die Versklavung der Menschheit

Weitere Kostenlose Bücher