Das Schlangental - Neal Carey 3
Mai angefangen und feierten Mitte September Richtfest, wozu ungefähr die Hälfte North Central Nevadas aufgetaucht war, um ihnen zu helfen, das Dach aufzurichten und das Bier wegzuputzen, das im eisgefüllten Pferdetrog wartete. Sie feierten eine tolle Party, und Peggy hatte ein paar Tränen vergossen, als der junge Shoshone aus Ione den alten Wohnwagen angefahren hatte. Steve hatte sich beeilt, mit dem Haus fertig zu werden, als Peggy aus Fallon mit der Nachricht heimgekommen war, daß er auch mit seiner ganz persönlichen Flinte ins Schwarze getroffen hatte.
Shelly wurde mitten im Winter geboren. Bei der Geburt gab es Probleme; sie würden keine Babies mehr haben können.
Peggy war sehr betrübt darüber, aber Steve machte es nichts aus, weil er sein kleines Mädchen ohnehin bis zum Abwinken liebte.
Neal konnte das nachvollziehen, als Shelly gut eine Minute vor der Essenszeit zur Tür hereingeplatzt kam.
Sie hatte die Augen und das Lächeln ihres Vaters und die kraftvollen Züge ihrer Mutter. Ihr kastanienbraunes Haar war schulterlang und dicht – Peggy schwor, daß ihr einmal eine Schere daran zerbrochen war. Sie machte sich mit dem wilden Hunger der jungen Arglosen über ihr Steak und die gebackene Kartoffel her.
Sie war Junior an der High School. Biologie und Chemie waren ihre Lieblingsfächer, in Englisch und Geschichte war sie am schlechtesten. Das bedeutete, daß sie in diesen Fächern für ihr »A« arbeiten mußte. Sie wollte die University of Nevada besuchen, um dann entweder Ärztin oder Tierärztin zu werden, weil sie sich nicht entscheiden konnte, ob sie lieber Menschen oder Tieren helfen wollte. Sie hatte sich dem Druck der Klassenkameraden gebeugt und war Cheerleaderin geworden, obwohl sie das ziemlich langweilig und ein bißchen albern fand. Lieber hätte sie die Zeit mit Pferden verbracht, oder auf der Ranch geholfen, oder wäre mit Jory in den Bergen ausgeritten.
Sie war ein selbstsicheres Kind aus einem stabilen Elternhaus. Sie wußte, daß ihre Eltern sich und sie liebten, und sie liebte sie auch. Sie liebte außerdem Jory Hansen. Sie wollten gemeinsam nach Reno fahren und heiraten, wenn sie ihre Ausbildungen beendet hätten, wenn sie irgendeine Ärztin war und er ein streitbarer District Attorney. Ihre Eltern bedrängten sie nicht damit, ihr zu erzählen, was einer Beziehung normalerweise während der langen Collegezeit widerfuhr. Sie war ein vernünftiges Mädchen und würde das alles beizeiten mitbekommen.
Ganz offensichtlich hatte ihre Mutter ihr gesagt, daß sie ihre natürliche Neugier auf den Gast zügeln sollte. Die ersten zwanzig Minuten gelang es ihr, Neal nicht die dreitausend Fragen zu stellen, die sie über die Welt außerhalb Austins quälten.
»Wie war dein Nachmittag mit Jory?« fragte Peggy sie beim Kirschkuchen, wodurch sie Neal rettete.
»Schön«, entgegnete sie.
Peggy fragte nach. Im Falle ihrer oftmals euphorischen Tochter war »schön« kaum eine positive Beschreibung.
»Warum? Was ist los?« fragte Peggy.
»Ich weiß nicht. In letzter Zeit ist er ein bißchen still.«
»Jory Hansen war nie eine Plaudertasche«, erwiderte Peggy.
Shelly zögerte. »Er scheint ein bißchen wütend zu sein«, sagte sie.
»Honey, ich glaube, er ist ein bißchen wütend, seit seine Mutter gestorben ist«, entgegnete Peggy.
Peggy wußte, wie er sich fühlen mußte. Sie war auch wütend. Barb Hansen war eine ihrer engsten Freundinnen gewesen. Sie hatten ihre Kinder gemeinsam großgezogen, hatten einander bei allen Kinderkrankheiten und Verletzungen geholfen, hatten ein bißchen Wein zusammen getrunken, wenn die Männer oben in den Bergen Holz schlugen oder jagten. Sie hatten lange Sommernachmittage unten am Bach verbracht und die Kinder im Wasser spielen sehen, und sie hatten sich über Ehe, Geschäft, Kochrezepte, das Leben auf einer Farm und überhaupt alles ausgetauscht. Ihr fehlte Barb Hansen wirklich.
Und Jory – kurz für Jordan – war so ein sensibler Junge. Er kam viel eher nach seiner Mom als nach seinem Dad. Für ihn war es ein harter Schlag.
»Das ist schon drei Jahre her, Mom.«
»Ich weiß.«
»In letzter Zeit redet er komik.«
»Komisch«, korrigierte Peggy, »und was soll das heißen?«
»Ich weiß nicht. Über Politik. Wie das Land sich verändert. Er redet plötzlich wie ein rechtslastiger Republikaner.«
»Ich wußte doch, daß es einen Grund gibt, warum ich den Jungen mag«, stellte Steve fest.
»Er scheint einfach so wütend zu sein«, wiederholte
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