Das Schlangental - Neal Carey 3
sicheren Seite? »Hab’ ‘nen Nigger erschossen«, entgegnete Neal und sah Bob Hansen genau in die Augen.
In den Augen konnte er lesen, daß Hansen interessiert war.
»Also wirklich«, sagte Hansen. »Ich hab’ nicht geglaubt, daß man in New York schießen und keinen Nigger treffen kann.«
Die Jungs lachten.
»Mr. Hansen, ich wünschte, sie wären mein Richter gewesen«, sagte Neal. »Der hat die Sache verdammt ernst genommen.«
»Haben Sie ihn umgebracht?«
»Den Richter?«
»Den Nigger.«
»Nein. Ehrlich gesagt kann ich nicht sonderlich gut schießen.«
Noch mehr Gelächter. Die Stimmung änderte sich.
Jetzt werden wir Kumpel, dachte Neal.
»Was war es für einer?« fragte Hansen. »Ein Zuhälter? Ein Drücker?«
Die Leute sagen einem doch immer wieder, was sie hören wollen, dachte Neal.
»Beides.«
»Ich wette, der Richter war Jude«, sagte der schwarzhaarige Mann.
Sie erzählen sogar die Geschichte für einen, wenn man sich nur die Zeit nimmt, zuzuhören.
Neal nickte. »Der Richter und beide Anwälte. Meiner hat vorgeschlagen, daß ich mich schuldig bekenne. Ich hab’ sechs bis zehn Jahre bekommen, drei abgesessen.«
Hansen schüttelte zornig den Kopf. »Das ist unser jüdisches Rechtssystem. Ich wette, der Nigger verkauft schon wieder Frauen und Dope.«
»Ich hab’ ihn nicht besucht«, sagte Neal. »So was mögen Bewährungshelfer nicht gern.«
»Weiß dein Bewährungshelfer, daß du den Staat verlassen hast?« fragte Strekker.
Neal hörte den Zweifel heraus.
»Was glaubst du?« entgegnete er sarkastisch.
»Du bist also abgehau’n«, stellte Strekker fest.
Nur noch ein kleines bißchen, dachte Neal. »Ich hab’ nicht vor, mein Leben mit ›Big Brother‹ im Hintergrund zu leben, der mir immer über die Schulter guckt und mir sagt, was ich tun soll, was ich nicht tun soll, wo ich arbeiten kann, wen ich sehen darf. Sieht so aus, als könnte ein Weißer im Osten nicht frei sein. Ich hab’ gedacht, hier wär’s anders. Schätze, ich hab’ mich geirrt. Ich bleib’ runter von Ihrem Land, Mr. Hansen, aber kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram«, sagte Neal. Dann sah er Strekker an: »Und wenn du mich noch einmal anfaßt, bring’ ich dich um oder krepier’ dabei, es zu versuchen.«
Strekker sah ihn wütend an. Hansen betrachtete ihn, als wäre Neal ein Bulle, von dem er überlegte, ihn zu kaufen.
»Sie sind ein Kämpfer«, sagte Hansen.
»Will ich nicht sein«, sagte Neal. »Aber wenn man mich provoziert…«
»Wir alle werden provoziert, mein Junge«, sagte Hansen. »Aber einige von uns haben sich entschieden, dagegen anzugehen.«
Neal zuckte bloß mit den Achseln.
»Ich kann die Geschichte überprüfen, wissen Sie«, fuhr Hansen fort.
Das möcht’ ich wetten, dachte Neal. »Es ist keine Geschichte, Mr. Hansen. Ich wünschte, es wäre eine.«
»Und wenn sich herausstellt, daß Sie gelogen haben, dann sind Sie besser längst aus diesem Tal verschwunden.«
Mister, Ed Levine wird diese Cover-Story so wasserdicht gemacht haben, daß selbst ich sie glauben würde.
»Und wenn sie sich als wahr herausstellt?« fragte Neal.
»Dann könnte ich vielleicht jemanden wie Sie gebrauchen«, entgegnete Hansen.
Und vielleicht könnte ich jemanden wie Sie gebrauchen, dachte Neal. Statt dessen sagte er: »Wozu?«
Hansen lächelte. »Hängt davon ab. Sagen Sie, Neal, was haben Sie von hier oben mit Ihrem Fernglas gesehen?«
Soll ich lügen? Soll ich bluffen? Wenn ich lüge und sie es mir nicht abkaufen, bin ich tot. Aber wenn ich Ihnen die Wahrheit sage und sie ihnen nicht paßt, bin ich auch tot.
Also verpaßte Neal ihm seinen besten nichtssagenden Blick, einen rätselhaften Ausdruck, der es dem Gegenüber erlaubte, in Neals Gesicht zu lesen, was auch immer es dort lesen wollte – die Lippen lächelten eine Winzigkeit, die Augen waren ein bißchen weiter aufgerissen als sonst.
»Nichts«, sagte er.
Hansen lächelte zurück. »Ich melde mich«, sagte er. Dann bedeutete er seinen Jungs, ihm zu folgen, und verschwand den Berg hinunter.
Strekker stieß Neal an.
»Wir sind noch nicht fertig miteinander, du Arschloch«, zischte er im Gehen.
Das wäre durchaus möglich, dachte Neal.
Er wartete ein paar Minuten, bis sein Herz ruhiger schlug, dann ging er zurück zu seiner Hütte.
Steve Mills wartete mit einem Gewehr auf ihn.
»Hab’ vergessen, dir das zu geben«, sagte er, gerade als Neal sich zu Boden werfen wollte.
Steve besah sich das Fernglas. »Ausflug gemacht?« Neal
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