Das Schlangental - Neal Carey 3
ignorierte die Frage und zeigte auf das Gewehr. »Wofür brauch’ ich das denn?«
»Du bist weit entfernt vom nächsten Polizisten, Neal«, entgegnete Steve. »Und nahe dran am nächsten Puma. Mal ganz abgesehen von den Kojoten.«
»Oder bescheuerten Überlebenskünstlern.«
»Oder bescheuerten Überlebenskünstlern.«
»Aber ich will weder einen Puma noch einen Kojoten erschießen.«
»Ach, Teufel, der Lärm allein wird sie verscheuchen«, sagte Steve.
»Na dann…« Neal griff nach der Waffe.
»Weißt du, wie man damit schießt?« fragte Steve.
»Hat irgendwas damit zu tun, den Abzug zu drücken, oder?«
Das Gewehr, erfuhr Neal, war eine Marlin 336. Ein Repetiergewehr mit zehn Schuß 30/30 im Magazin. Es wog sechs Pfund, schien aber viel schwerer zu sein, als Neal damit schoß und es ihm gegen die Schulter knallte. Aber immerhin machte es jede Menge Lärm.
»Brauchst du das nicht?« fragte Neal, während noch Kathedral-Glocken in seinen Ohren dröhnten.
»Nein«, entgegnete Steve. »Ich hab’ ein ganzes Arsenal im Haus. Mit den Jahren kommt was zusammen. Die Winchester hast du gesehen. Ich hab’ noch eine Remington, eine Savage Combination, eine alte H&R und sogar ein paar alte Pistolen, jedenfalls bis die Feds kommen, sie zu holen. Schätze, die hier kann ich entbehren.«
Schätze ich auch.
»Du solltest ein bißchen üben«, riet ihm Steve. »Man kann nie wissen.«
»Wie wahr«, entgegnete Neal.
Er sah Steve nach, der über den Beifuß hinweg zu seinem Haus zurückmarschierte.
Man kann wirklich nie wissen, dachte Neal.
Er ging in seine Hütte, brauchte eine halbe Stunde, um ein Feuer im Herd anzuzünden, dann weitere fünfundvierzig Minuten, um rauszufinden, wie der altmodische Kaffeekocher funktionierte. Als er den Kaffee fertig hatte, war es dunkel, und er nahm seine hart erarbeitete Tasse mit hinaus auf die kleine Veranda und sah zu, wie die harten Wüstenumrisse in sanftes Rosa gehüllt wurden. Die Shoshonen-Berge auf der anderen Seite des Tales wurden zu unscharfen Kulissen, erst aschgrau, schließlich schwarz. Die Sonne flammte noch einmal rot auf, dann versank sie hinter den Bergen. Einen Augenblick später begannen die Kojoten zu heulen.
Ed Levine langweilte sich.
Er schaute zu seinem Bürofenster hinaus auf den Times Square. Er hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, die Füße auf den Tisch gelegt, eine Zigarette schmurgelte in einer Untertasse auf dem Tisch vor sich hin.
Die Blinklichter unten interessierten ihn nicht. Auch die Taxihupen und das Zischen der Busse nicht, und nicht die halbwegs menschlichen Geräusche, die von den Straßen heraufhallten. Er beugte sich vor, nahm einen Zug von der Zigarette, lehnte sich wieder zurück, während der Mann am anderen Ende der Telefonleitung redete und redete und redete.
Die Bürotür öffnete sich und Joe Graham kam herein.
»Augenblick mal, bitte«, bat Ed den Mann am Telefon.
Er drückte auf den Warteschleifen-Knopf, sah Graham an, zog die Augenbrauen hoch.
»Alles bereit«, beantwortete Graham die ungestellte Frage.
»Gut«, entgegnete Ed. Er sah Graham genauer an. »Du machst dir Sorgen.«
»Der Junge war schon lange nicht mehr undercover. Es ist riskant.«
Ed nickte. »Ist es immer.«
Graham rieb sich die künstliche Hand im verschwitzten Fleisch seiner anderen Handfläche.
»Ich möchte näher ran«, sagte er.
»Es ist noch zu früh.«
»Ich möchte nicht, daß es zu spät wird.«
Ed runzelte die Stirn und zeigte auf das Telefon.
Graham setzte sich auf der anderen Seite des Schreibtisches auf einen Stuhl.
Ed runzelte die Stirn noch stärker und sagte: »Wenn wir jetzt zu nah rankommen, verbrennen wir ihn vielleicht. Sei einfach bereit, loszuschlagen.«
»Ich bin bereit.«
Ed deutete wieder ungeduldig auf das Telefon. Graham schien nicht bereit zu sein, sich wieder zu erheben.
»Okay«, sagte Ed. »Denk dir ein Cover für dich selber aus. Und jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen, und geh ein paar Bierchen trinken.«
Graham stand auf. »Die Bierchen trink’ ich«, sagte er von der Tür aus, »aber ich werde nicht aufhören, mir Sorgen zu machen.« Er schloß die Tür hinter sich.
Puh, dachte Ed.
Er drückte noch einmal auf den Knopf am Telefon und sprach, bevor der andere etwas sagen konnte: »Kommen wir zum Geschäftlichen«, sagte Levine. »Was genau brauchen Sie, Reverend Carter?«
Draußen in der Großen Einsamkeit saß Jory Hansen am Fuße des Berges. Er schaute den Mond an.
Als er hell
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