Das Schlangental - Neal Carey 3
mußten. »Die Leute glauben, sie wären ›freier‹«, hatte Joe Graham gepredigt, als er Neal dazu bringen wollte, seinen Schweinestall von Apartment sauberzumachen, »wenn es so wenig Ordnung wie möglich in ihren Leben gibt. Sie sind nicht frei. Sie sind Gefangene ihrer eigenen Schlampigkeit. Sie wenden viel mehr Zeit und Energie auf, ihren Saustall wieder sauberzumachen, als sie damit verbringen, Spaß zu haben, was auch immer sie dir erzählen. Also, wenn du die kleinen langweiligen Dinge jeden Tag erledigst, in irgendeiner beliebigen Reihenfolge, dann hast du viel mehr Zeit für dich, um rumzusitzen, Bier zu trinken und im Fernsehen Spiele anzuschauen – und das, immerhin, ist es doch, was du eigentlich tun willst. Außerdem haben schlampige Ermittler die Tendenz, irgendwann tot zu sein.«
Das traf auf die Detektivarbeit zu, es traf auf das Stipendium zu, und es traf ebenfalls auf ein einigermaßen komfortables Leben auf einem einsamen Berg zu.
Also beendete er sein Frühstück, machte Wasser heiß und wusch sofort ab, bevor er die Lust daran verlor. Er goß sich eine dritte Tasse Kaffee ein und ließ sich auf der kleinen Veranda nieder. Diese Zeit gönnte er sich, um die Gegend zu genießen, um über den bevorstehenden Tag nachzudenken und den Kojoten zu beobachten.
Der Kojote war ein paar Tage, nachdem Neal in die Hütte gezogen war, aufgetaucht. Offensichtlich legte er genausoviel Wert auf Routine wie Neal. Er kam kurz nach dem Frühstück und schlich fünfzig oder sechzig Meter von der Hütte entfernt herum, bis Neal sich aufmachte, rüber zum Haus der Mills’ zu gehen. Dann schlich der Kojote hinter ihm her, folgte ihm, blieb immer ein gutes Stück zurück und rannte davon, wenn Neal sich zu hastig umwandte.
Zuerst hatte Neal geglaubt, das sei so eine Art Disney-Erfahrung, aber dann hatte Steve ihm erklärt, daß der Kojote Neal als Jagdhund benutzte, daß er hinter ihm blieb, um Grashüpfer, Mäuse oder Kaninchen, die Neal aufgescheucht hatte, aufzufressen. Außerdem waren Kojoten Aasfresser, die gelernt hatten, daß Menschen jede Menge Müll hinter sich ließen. Neal gefiel die Disney-Version besser, und so betrachtete er den Kojoten als Freund.
Also schaute er hinüber zu dem Tier, als er hinaus auf die Veranda ging und an seiner wunderbaren dritten Tasse Kaffee nippte. Sie war um so wunderbarer, als die Morgende mittlerweile ganz schön kalt waren. Auf den höheren Berghängen lag bereits Schnee, und es würde nicht mehr lange dauern, bevor der erste große Sturm das ganze Tal weiß färben würde. Neal hatte viele Stunden seiner Freizeit damit verbracht, Holz vom Berg herunter zu schleppen und auf der Veranda zu stapeln.
So, wie dieser Job läuft, dachte Neal, brauch’ ich das möglicherweise.
Er war seit zwei Monaten hier und hatte kein Anzeichen von Harley oder Cody McCall entdecken können.
Vielleicht sind sie weitergezogen, gestand Neal sich ein.
Vielleicht sollte ich das auch tun. Aber in New York werde ich nicht näher dran sein, den Jungen zu finden, als hier.
Es war nicht leicht gewesen, Levine und Graham dieses Konzept zu verkaufen. Drei Wochen, nachdem Neal in die Hütte gezogen war, hatte es einen schwierigen Anruf gegeben.
»Schaff deinen Arsch hier rauf«, hatte Ed gefordert.
Neal hatte darauf bestanden: »Ich bleibe.«
»Warum zum Teufel?« fragte Graham. »Sie lassen dich noch nicht mal in ihre gottverfluchte Festung!«
»Ich bin immer noch in der Probezeit«, sagte Neal und fühlte sich ein bißchen hilflos. Es entsprach der Wahrheit. Hansen hatte seine Cover-Story überprüft und für gut befunden und Neal eingeladen, an seinen »Selbstverteidigungs«-Unterrichtsstunden auf der Ranch teilzunehmen. Außerhalb der Festung.
Ed unterbrach. »Wir sind jetzt von dieser Seite aus an der Sache dran, Neal. Es ist jetzt nicht mehr dein Fall.«
»Es ist nicht mehr mein Fall, wenn ich Cody McCall zurückgebracht habe, Ed.«
Neal konnte sich vorstellen, wie Ed schäumte, wie er sich über seinen Schreibtisch beugte und an seiner Zigarette zog.
Graham sagte: »Junge, komm’ zurück und geh zur Uni. Du hast getan, was du konntest. Wir versuchend jetzt anders, das ist alles.«
»Ich will nicht zur Uni, Dad. Ich will diesen Jungen finden. Und bis ich weiß, ob er nicht hier ist, bleibe ich.«
Außerdem gefällt es mir hier.
Das entsprach der Wahrheit. Neal Carey, Anwohner des Broadway und unverbesserliches Großstadtkind, mit Cityschläue und der Angewohnheit, mindestens
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