Das Schlangental - Neal Carey 3
zündete sie an, nahm einen Zug und stieß den Rauch mit einem Seufzer aus. »War ein langer Tag«, sagte er.
»Ed, Ed?« fragte Neal. »Könntest du mich vielleicht losmachen?«
»‘Tschuldigung, hab’ mich treiben lassen.«
Er nahm Randy den Schlüsselring ab, fand den passenden Schlüssel und öffnete die Handschellen.
Neal rieb sich die Handgelenke, um die Durchblutung anzukurbeln. »Schön, dich zu sehen, Ed«, sagte er.
»Schön, das zu hören«, erwiderte Ed. Mit dem Rücken zu Graham fragte er stumm: »Kann er gehen?«
Neal schüttelte den Kopf.
»Du Arschloch«, murmelte Graham. »Warum hast du uns nicht gesagt, was du vorhattest?«
Ed befestigte Dave mit den Handschellen an der Wand. Er sagte: »Was wär’ denn gewesen, wenn sie euch gefangengenommen hätten, was auch passiert ist … und gefoltert hätten, was passiert ist … und wenn ihr dann aufgegeben hättet? Was nicht passiert ist, aber das war auch erst der Anfang der Brutalitäten. So hattet ihr ihnen auch nichts zu erzählen.«
»Besten Dank. Also, hast du eine Armee da draußen?« fragte Graham.
»Ich bin allein gekommen«, entgegnete Ed. Er zeigte auf die Körper, die auf dem Boden lagen. »Ich bin eine Armee.«
Was für ein Blödsinn, dachte Ed. Er hatte eine Einsatztruppe auf Abruf in Reno. Dies hatte nur eine Erkundungsfahrt sein sollen. Er hatte rausfinden wollen, wo Carey und Graham steckten. Angelegentlich wollte Ed den Sons of Seth noch ‘nen zusätzlichen Anklagepunkt wegen illegalen Waffenbesitzes reindrücken. Und das Geld der Bank war zurückzuholen. Ed war nicht davon ausgegangen, Neal und Joe angekettet im Bunker vorzufinden. Als er Graham gefesselt, blutend und leidend gesehen hatte, war ihm klargeworden, daß keine Zeit mehr war, nach Reno und wieder zurück zu fahren. Nicht, wenn er etwas anderes als ihre Leichen antreffen wollte.
Jory kroch rüber zur Wand.
Ed wedelte mit den Handschellen. »Komm her, Junge.«
Jory streckte die Hand aus, Ed kettete ihn an die Mauer.
»Hast du auch einen Geheimplan, uns hier rauszuholen?« fragte Graham.
Tja, hatte ich, dachte Ed. »Das hängt davon ab, wie viele von uns hier sind«, entgegnete Ed. »Cody?«
»Er ist tot«, murmelte Graham.
»Ist er ni…«, warf Neal ein.
»Neal glaubt das aber nicht«, kam ihm Graham zuvor.
Neal trat Randy in den Bauch. »Was ist mit dem Jungen passiert?« fragte er.
»Weiß nicht.«
Weißt du wohl, dachte Neal. Er packte Randy an seinem gebrochenen Arm und riß ihn hoch.
Randy heulte. »Ich weiß echt nicht!«
Neal wirbelte den gebrochenen Arm einmal im Kreis. »Sag’s mir, du dreckiges kleines Nazi-Schwein«, sagte Neal. Er donnerte Randy mit dem Gesicht voran gegen die Mauer, streckte den gebrochenen Arm aus und knallte seine Hand auf Randys gebrochenen Ellenbogen.
Randy zeigte wie wild mit seinem guten Arm – deutete auf Jory. »Er hat ihn umgebracht, er hat ihn umgebracht«, keuchte Randy. »Carter hat gesagt, der Junge muß sterben … der Samen des Verräters … keiner von uns wollte das machen … er hat sich freiwillig gemeldet. Er hat ihn mit rausgenommen in den Busch und ihn erschossen.«
Neal ließ Randy los, sah hinunter, sah die Schuld auf Jorys Gesicht. Er nahm das Messer vom Boden auf und kniete sich vor Jory hin. »Du dreckiger…« Neal drückte die Messerspitze in das weiche Fleisch an Jorys Hals.
Neal spürte, wie Grahams künstliche Hand schwer auf sein Handgelenk knallte und ihm das Messer aus der Hand schlug. Er hielt sich den Arm und schaute Graham an, der neben ihn niederkniete.
»Was?« fragte Graham. »Bist du jetzt einer von denen geworden?«
Neal ließ los, er saß da und starrte zu Boden. Er konnte Graham nicht in die Augen sehen. Ich habe gerade einen Verwundeten gefoltert und versucht, einen Kranken zu töten, dachte Neal. Vielleicht haben sie mich wirklich in einen von ihnen verwandelt.
Dann hörte er Jory wimmern: »Ich hab’ Cody nicht getötet.«
Was? »Wer dann?« fragte Neal.
»Niemand. Ich sollte es tun, aber ich hab’ es nicht getan. Ich hab’ ihn weggebracht und versteckt.«
»Wo?« wollte Neal wissen.
Jorys Augen wurden glasig. »An dem Ort vom Anfang und dem Ende.«
»Was zum Teufel redest du da?«
Jory lächelte ein scheues, geheimnisumwittertes Lächeln. »Ich bring’ euch hin«, bot er an. »Dann könnt ihr den Sohn Gottes selbst sehen.«
In diesem Augenblick hörte Neal Strekkers Stimme vor der Tür brüllen: »Mackinnon, wir haben das Geld!« Die Tür ging auf und
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