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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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steckte mir eine an.
    Ich weiß nicht, wie viele Dosen ich noch leerte, während ich auf Cläre wartete, doch endlich hörte ich den Schlüssel in der Tür, und sie kam herein. Da war sie nun, Cläre, mit ihren Kurven und ihrem strahlend blonden Haar. Sie stand auf hochhackigen Pumps und schwankte ein wenig. Kein Kunstmaler hätte es besser hinkriegen können. Sogar die Wände starrten sie an, die Lampenschirme, die Sessel, der Teppich. Reine Magie… »Wer zum Teufel bist du? Was soll das?«
    »Cläre, wir sind uns schon begegnet. Ich bin Hank. Der Freund von Jimmy.«
»Verschwinde hier!«
Ich lachte. »Ich zieh hier ein, Baby. Wir bleiben zusammen.«
»Wo ist Jimmy?«
Sie rannte ins Schlafzimmer, und als sie wieder herauskam, schrie sie: »Du kleiner Scheißer!
Was ist hier eigentlich los?«
Ich nahm mir eine Zigarette. Gab mir Feuer. Grinste.
»Du bist hinreißend, wenn du eine Wut hast.«
»Du bist nichts als ein gottverdammter kleiner Junge, der einen sitzen hat. Geh nach Hause.«
»Setz dich her, Baby. Trink ein Bier.«
Cläre setzte sich. Das überraschte mich sehr.
»Du gehst auf die Chelsey, nicht?« fragte sie.
»Yeah. Jim und ich sind Kumpel.«
»Du bist Hank.«
»Ja.«
»Er hat mir von dir erzählt.«
    Ich hielt ihr eine Dose Bier hin. Meine Hand zitterte. »Hier, trink ‘n Bier, Baby.« Sie knackte die Dose und nippte daran.
    Ich sah ihr in die Augen, hob mein Bier und trank einen Schluck. Sie war ein Vollweib, ein Mae-West-Typ. Trug auch genau so ein engsitzendes Kleid. Breite Hüften, starke Beine. Und was für ein Busen. Umwerfend.
    Cläre schlug ihre sagenhaften Beine übereinander, und das Kleid rutschte ein wenig nach oben. Ihre Beine waren wohlgerundet und golden, und die Strümpfe saßen wie eine zweite Haut.
    »Ich kenn deine Mutter«, sagte sie. »Wir haben uns mal getroffen.«
    Ich trank meine Dose aus, stellte sie zwischen den Füßen ab, griff mir eine neue, riss sie auf, nahm einen Schluck. Dann sah ich zu Cläre hinüber. Ich wusste nicht, wo ich hinsehen sollte. Auf ihren Busen, auf ihre Beine oder in ihr müdes Gesicht.
    »Tut mir leid, dass ich deinen Sohn besoffen gemacht habe. Aber ich muss dir unbedingt was sagen.«
    Sie wandte den Kopf, um sich eine Zigarette anzuzünden. Dann sah sie mich wieder an.
»Ja?«
»Cläre, ich liebe dich.«
    Sie lachte nicht. Sie verzog nur leicht die Mundwinkel zu einem dünnen Lächeln.
    »Armer Junge. Du bist doch nichts als ein kleines Hühnchen. Noch nicht mal trocken hinter den Ohren.«
    Das stimmte zwar, aber die Bemerkung ärgerte mich. Vielleicht gerade, weil sie damit recht hatte. Doch der Traum und das Bier wollten es anders. Ich trank noch einen Schluck, sah sie
    an und sagte: »Lass den Quatsch. Zieh dein Kleid hoch. Zeig mir ein bißchen Bein. Ein
bißchen Schenkel.«
»Du bist doch bloß ein Junge.«
Jetzt sagte ich es. Ich weiß nicht, woher die Worte kamen, aber ich sagte es: »Ich kann dich
mitten durchreißen, Baby, wenn du mich ranlässt.«
»So ?«
»Yeah.«
»Na schön. Wollen wir doch mal sehn.«
    Und da tat sie es. Einfach so. Sie machte die Beine breit und zog sich das Kleid hoch. Sie hatte nichts darunter an.
    Ich sah ihre gewaltigen weißen Schenkel. Ein Gewoge von Fleisch. An der Innenseite des linken Schenkels wölbte sich eine große Warze heraus. Und zwischen den Schenkeln gab es einen Dschungel von verhedderten Haaren, doch die waren nicht strahlend blond wie das Haar auf ihrem Kopf — sie waren braun mit grauen Fäden dazwischen, alt wie ein halb abgestorbener Busch, leblos und traurig. Ich stand auf. »Ich muss gehn, Mrs. Hatcher.«
    »Ach Gott, und ich hab gedacht, du willst einen draufmachen!« »Nicht solang Ihr Sohn nebenan ist, Mrs. Hatcher.«
    »Um den mach dir mal keine Gedanken, Hank. Der ist total hinüber.« »Nein, Mrs. Hatcher, ich muss wirklich gehn.« »Na, dann hau doch ab, du gottverdammter kleiner Pisser!«
    Ich machte die Tür hinter mir zu, ging durch den Hausflur, hinaus auf die Straße.
    Wenn man sich überlegte, dass jemand wegen so was Selbstmord begangen hatte … Die Nacht war mit einem Mal richtig wohltuend. Ich machte mich auf den Weg zurück zum Haus meiner Eltern.

    44

    Ich sah deutlich vor mir, wie es weitergehen würde. Ich war arm, und ich würde auch arm bleiben. Doch zu Geld wollte ich gar nicht unbedingt kommen. Ich wusste nicht, was ich wollte. Oh doch, ich wusste es: Einen Ort, wo ich mich verkriechen konnte. Irgendwo sein, wo man nichts zu tun brauchte. Die Vorstellung, jemand zu

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