Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
gewiss! Ich entlasse euch nun in euer großes Abenteuer<
Für die meisten ging es gleich nach nebenan in die University of Southern California ,wo sie mindestens weitere vier Jahre dem Ernst des Lebens ausweichen konnten.
»Meine besten Wünsche und Gebete begleiten euch auf eurem Weg!«
Die Musterschüler bekamen ihr Diplom zuerst. Einer nach dem anderen marschierte auf die
Bühne. Abe Mortenson wurde aufgerufen und nahm seinen Wisch in Empfang. Ich
applaudierte.
»Wo wird der mal landen?« fragte Jimmy.
»Als Buchhalter in einem Großhandel für Auto-Ersatzteile, irgendwo hinter Gardena.«
»Ein Leben lang denselben Job«, sagte Jimmy.
»Und dieselbe Frau«, ergänzte ich.
»Abe wird sich nie elend fühlen …«
»Aber glücklich auch nicht.«
»Ein braver Schlucker …«
»… der andern die Dreckarbeit macht.«
»Und sich ausnutzen lässt.« »Ein Hampelmann.«
Als sie mit den Musterschülern fertig waren, kamen wir dran. Ich fühlte mich unbehaglich.
Am liebsten wäre ich rausgegangen.
Ich wurde aufgerufen. »Henry Chinaski!«
»Lakai im öffentlichen Dienst«, sagte ich zu Jimmy.
Ich ging auf die Bühne, nahm das Diplom entgegen, schüttelte dem Direktor die Hand. Es war ein schleimiges Gefühl, als greife man in ein vergammeltes Aquarium. (Zwei Jahre danach kam heraus, daß er Schulgelder veruntreut hatte; er wurde angeklagt, verurteilt und ins Gefängnis gesteckt.)
Auf dem Rückweg kam ich an Abe Mortenson und den anderen Musterschülern vorbei. Er sah zu mir her und zeigte mir den Finger. Das verblüffte mich. Es kam so unerwartet.
Ich setzte mich wieder neben Jimmy und sagte: »Mortenson hat mir den Finger gezeigt!« »Nein! Das darf doch nicht wahr sein!«
»Leck mich am Arsch. Er hat mir den ganzen Tag ruiniert. Der war zwar eh nicht viel wert, aber jetzt hat er mir die Laune vollends verdorben!«
»Ich kann’s nicht glauben, dass er sich getraut hat, dir den Finger zu zeigen.«
»Es passt gar nicht zu ihm. Denkst du, jemand hat ihm auf die Sprünge geholfen?« »Ich weiß nicht, was ich denken soll.«
»Dabei weiß er ganz genau, dass ich ihn übers Knie brechen kann, ohne überhaupt Luft zu
holen!«
»Verpass ihm halt ‘ne Abreibung.«
»Aber verstehst du denn nicht? Er hat mir eins ausgewischt! Er hat mich richtig überrumpelt!« »Brauchst ihn bloß kräftig in den Arsch zu treten.«
»Was meinst du, ob der Scheißer aus all diesen Büchern, die er durchgebüffelt hat, was
dazugelernt hat? Aber ich weiß doch, dass da nichts drinsteht. Ich hab schließlich jede vierte
Seite gelesen …«
»Jimmy Hatcher!« Jetzt war er an der Reihe.
»Pfarrer«, sagte er.
»Geflügelzüchter«, sagte ich.
Jimmy ging rauf und brachte es hinter sich. Ich klatschte laut Beifall. Wer mit einer Mutter leben konnte, wie er sie hatte, verdiente einigen Zuspruch. Er kam zurück, und wir saßen da und sahen zu, wie all die goldenen Boys und Girls auf die Bühne gingen und sich bedienen ließen.
»Du kannst ihnen keinen Vorwurf machen, dass sie reich sind«, meinte Jimmy. »Nee, aber ihren verschissenen Eltern mach ich ‘n Vorwurf.« »Und ihren Großeltern«, sagte Jimmy.
Die Parade der goldenen Boys und Girls auf der Bühne nahm kein Ende. Ich saß da und überlegte, ob ich Abe k.o. schlagen sollte oder nicht. Ich konnte schon sehen, wie er sich auf dem Gehsteig wälzte, noch in Troddelkappe und Umhang, das Opfer meines rechten Hakens, und all die hübschen Mädchen würden kreischen und sich im stillen sagen: Mein Gott, dieser Chinaski muss ja ein Bulle auf der Matratze sein!
Andererseits war an Abe nicht viel dran. Er existierte kaum. Es hätte nichts dazu gehört, ihn k.o. zu schlagen. Ich beschloss, darauf zu verzichten. Ich hatte ihm ja schon den Arm gebrochen. Seine Eltern hatten meine schließlich doch nicht verklagt. Wenn ich ihm jetzt aber den Schädel einschlug, würden sie garantiert vor Gericht gehen. Sie würden meinem Alten den letzten roten Heller wegnehmen. Nicht, dass mir das etwas ausgemacht hätte. Es ging mir mehr um meine Mutter. Sie hätte blöd dagestanden, denn sie hätte sinnlos und ohne Grund gelitten.
Endlich war die Feier vorüber. Die Schüler erhoben sich von ihren Plätzen und gingen im Gänsemarsch hinaus. Auf dem Rasen mischten sie sich unter die Eltern und Verwandten, und es wurde ausgiebig umarmt und geherzt. Ich sah meine Eltern warten, ging hin und blieb etwa vier Schritte vor ihnen stehen. »Verschwinden wir hier«, sagte ich.
Meine Mutter betrachtete mich. »Henry,
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