Das Schloss am See: Mittsommerherzen (German Edition)
kriechen, sondern um dir einen lukrativen geschäftlichen Vorschlag zu machen. Was ist? Bist du interessiert?“
Einen Moment lang blieb die Miene des alten Mannes unergründlich, dann lächelte er anerkennend. „Eins muss man dir lassen, Sohn: Du hast Mumm in den Knochen, dich jetzt noch vor mich zu stellen und mir ein Geschäft vorzuschlagen. Aber gut, lass hören …“
Das musste er Hannes nicht zweimal sagen.
Hannes klopfte das Herz bis zum Hals, als er drei Tage später nach Dalarna zurückkehrte. Er konnte immer noch nicht glauben, dass es ihm tatsächlich gelungen war, seinen Vater für sein Konzept zu gewinnen. Richard Westenberg würde die Kosten für die dringend notwendigen Reparaturen und Umbaumaßnahmen übernehmen, um aus dem Schloss etwas ganz Einzigartiges zu machen: Ein Tiertherapiezentrum für Menschen aller Alters- und Einkommensklassen, in dem Familien ebenso willkommen waren wie Einzelpersonen. Daran angeschlossen ein Erlebnishotel für all diejenigen, die den Stress des Alltags hinter sich lassen und dennoch etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit anfangen wollten. Es sollte ein Ort der Begegnung werden – und über einen Fond, der sich aus den Einnahmen der zahlungskräftigeren Gäste finanzierte, würde es auch sozial schwächeren Familien weiterhin möglich sein, ihre Kinder nach Beringholm Slott zu schicken.
Ganz leicht war es nicht gewesen, seinen Vater vom Potenzial des Projekts zu überzeugen. Doch die positive Gewinnprognose, die ein unabhängiger Gutachter bestätigt hatte, stellte den alten Herrn zufrieden. Somit schlug Hannes gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, denn nun konnte Lisbet mit ihrer wichtigen Arbeit fortfahren, ja sie sogar noch ausweiten.
Lisbet …
Es stimmte Hannes besorgt, dass er noch immer nichts von ihr gehört hatte. Nein, besorgt war noch zu wenig. Jeder Tag, den er in Berlin auf die Entscheidung seines Vaters hatte warten müssen, war ihm wie eine kleine Ewigkeit erschienen. Warum war Lisbet nicht gekommen? Was hatte sie daran gehindert, ihre Verabredung einzuhalten?
Er war bereits drauf und dran gewesen, einfach abzureisen, auch auf die Gefahr hin, dass sein Vater sich noch einmal umentscheiden könnte. Die Vorstellung, dass Lisbet womöglich etwas Schreckliches zugestoßen war, hatte ihm den Schlaf geraubt. Aber dann war es ihm gelungen, doch noch jemanden auf Beringholm Slott zu erreichen.
Lisbets guten Freund, diesen Lars Sjögren.
Doch durch das Gespräch waren seine Sorgen nicht weniger geworden, eher im Gegenteil: Sjögren hatte ihm wenig freundlich erklärt, dass Lisbet nicht mit ihm sprechen
wollte
, und dann einfach aufgelegt.
Hannes verstand die Welt nicht mehr. Zum Glück war das Gutachten kurz darauf fertig geworden, denn nach diesem Telefonat hielt ihn nichts mehr in Berlin.
Nun würde er bald erfahren, was während seiner Abwesenheit in Schweden vorgefallen war – und er befürchtete, dass es ihm nicht gefallen würde. Er schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad.
Verdammt!
Als er die Zufahrt zu Beringholm Slott endlich erreichte, erhöhte er, trotz der schlechten Straße, noch einmal sein Tempo. Dieses Mal war er schlauer gewesen und hatte sich am Flughafen einen Geländewagen mit Vierradantrieb gemietet.
Schon von Weitem merkte er, dass sich etwas verändert hatte, und er runzelte die Stirn. Wo waren all die Tiere geblieben? Die Schuppen und Scheunen schienen ebenso verwaist wie die Koppeln und Wiesen.
Mit einem unguten Gefühl setzte er mit dem Wagen über die Zugbrücke und fuhr durch das Brückentor auf den Schlosshof. Dort stand bereits ein anderes Auto, ein Pick-up, auf dessen Ladefläche sich Koffer und Kisten stapelten.
Hannes stellte den Motor ab, zog die Handbremse an und stieg aus. „Lisbet?“ Suchend blickte er sich um. „Lisbet, wo steckst du?“
„Na, Sie haben vielleicht Nerven, sich hier noch einmal blicken zu lassen“, knurrte jemand hinter ihm.
Argwöhnisch drehte Hannes sich um. Es war Lars Sjögren, der ihn finster musterte. Unter einen Arm geklemmt trug er einen Karton, in der anderen Hand hielt er Lisbets Gitarrenkoffer.
„Was soll das heißen?“ Hannes deutete mit einem Kopfnicken auf den voll beladenen Geländewagen. „Was geht hier vor?“
„Was denken Sie denn?“ Sjögren bedachte ihn mit einem geringschätzigen Blick. „Ich helfe Lisbet dabei, ihre Sachen zu mir rüberzuschaffen. Wissen Sie, im Grunde sollte ich Ihnen danken, Westenberg. Durch Ihr schäbiges Verhalten hat sie nun endlich
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