Das Schloss am See: Mittsommerherzen (German Edition)
erkannt, was sie an mir hat. Wir haben uns verlobt, und im nächsten Frühjahr wird Hochzeit gefeiert!“, erklärte er triumphierend.
Hannes hatte das Gefühl, als bohre sich ihm ein glühender Pfeil geradewegs ins Herz. Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube Ihnen kein Wort“, stieß er heiser hervor. „Lisbet würde nie …“
„Sie hat!“, fiel Sjögren ihm barsch ins Wort. „Meine Großmutter und ich besitzen ein Landgut ganz in der Nähe, vielleicht hat das ihre Entscheidung ein wenig beeinflusst. Es ist nicht so groß wie dieses Anwesen hier. Aber für die Tiere haben wir Platz genug, und sie kann auch weiter mit ihren behinderten Schützlingen arbeiten. Wenigstens so lange, bis wir selbst Kinder haben.“
„Nein!“ Hannes fühlte sich wie betäubt, während das Entsetzen wie eine Flutwelle über ihn hinwegrollte und drohte, ihn mit sich zu reißen. „Nein, das ist nicht wahr!“
„Ach, und warum beantwortet sie dann Ihre Anrufe nicht?“ Sjögren warf Karton und Gitarrenkoffer auf die Ladefläche und schloss die Heckklappe. Dann ging er nach vorne, stieg in den Wagen und ließ den Motor an. „Ein gut gemeinter Rat noch: Lassen Sie Lisbet in Ruhe.
Adjö!“
Mit diesen Worten setzte er ruckartig zurück, wendete und fuhr los.
Lisbet stand am Küchenfenster des Sjögren-Hofes und schaute hinaus, doch in Wahrheit versuchte sie nur, ihren Kummer vor Lars’ Großmutter zu verbergen, die kurz aus dem Zimmer gegangen war. Die alte Selma, eine enge Freundin von Hilda, verstand es wie keine Zweite, aus den Gesichtern der Menschen zu lesen. Sie würde sofort erkennen, was in ihr vorging, und Lisbet fühlte sich den Fragen, die dann unweigerlich folgen mussten, im Augenblick nicht gewachsen.
Denn das würde bedeuten, wieder über Hannes nachzudenken, und das könnte sie nicht ertragen.
Nachdem sie herausgefunden hatte, was für ein gemeines Spiel er spielte, hatte sie Lars angerufen und ihm unter Tränen alles berichtet. Den Unterlagen zufolge, die sie in seinem Zimmer gefunden hatte, hatte er die ganze Zeit über mit Kristof Steen in Verhandlung gestanden. Da dessen Angebot offenbar nicht seiner Preisvorstellung entsprach, hatte er sich schließlich an einen Makler gewandt – während er zur selben Zeit Lisbet glauben ließ, dass sich doch noch alles zum Guten wenden würde.
Lars war sofort bereit gewesen, ihr zu helfen und sie und die Tiere bei sich aufzunehmen. Was war ihr schon für eine andere Wahl geblieben, als sein Angebot anzunehmen – selbst wenn sie ihm damit womöglich neue Hoffnungen machte?
Natürlich konnte dies nur eine Übergangslösung sein, und Lisbet zerbrach sich praktisch Tag und Nacht den Kopf darüber, wie es weitergehen sollte. Doch das war gar nicht so einfach, weil sie trotz allem immerzu an Hannes denken musste.
Obwohl es ein warmer Sommertag war, zog sie fröstelnd die dünne Strickjacke enger um ihre Schultern. Doch die Kälte, die sie verspürte, konnte kein noch so warmer Stoff vertreiben, denn sie kam von innen.
Womöglich hatte sich ihr Herz einfach in Eis verwandelt, so fühlte es sich jedenfalls manchmal an. Und vielleicht war es auch besser so. Auf diese Weise lief sie wenigstens nicht Gefahr, ihr Glück und ihr Schicksal noch einmal in die Hände eines Mannes zu geben, der ihr Vertrauen nicht verdiente.
Mach dir doch nichts vor, Lisbet Carlsson! Du liebst Hannes noch immer, ganz gleich, wie sehr du dich auch dagegen wehrst.
Ein tiefes Seufzen entrang sich ihrer Kehle, und etwas Warmes lief ihre Wangen herab und fiel als schwerer Tropfen auf das Fensterbrett. Hastig wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie weinte.
Als sie hörte, dass jemand hereinkam, straffte sie rasch die Schultern. Weder Selma noch Lars sollten merken, wie sehr sie unter der Trennung von Hannes litt. Die beiden waren so freundlich gewesen, sie und die Tiere übergangsweise bei sich aufzunehmen, dass es ihr undankbar erschienen wäre, sie auch noch mit ihrem Liebeskummer zu belasten – vor allem Lars gegenüber.
Aber es war nicht Selma, die jetzt die Küche betrat.
„Aleks!“, rief Lisbet überrascht und erfreut – doch als sie sah, wie verstört und unglücklich das Mädchen wirkte, runzelte sie die Stirn. „Hey, was ist denn los mit dir?“ Sie nahm es bei den Händen. „Dich bedrückt doch etwas, oder?“
Einen Moment lang schien Aleksandra zu zögern, dann brach sie plötzlich in Tränen aus und wollte sich gar nicht mehr
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