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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Anhalter zu meiner Tante. Sie haben mich mitgenommen, und dann wollten sie im Wagen, hinten, in der Schlafkabine … Ich habe mich gewehrt, und da haben sie mich einfach aus dem fahrenden Wagen geworfen.«
    Luise atmete auf. Also nicht Gerd. Sie umfaßte die keuchende Frau und richtete sie auf. »Sie haben großes Glück gehabt. Sie hätten tot sein können. Wo soll ich Sie hinbringen?«
    »Nach Hause. Bitte, bitte nach Hause.«
    »Und wo ist das?«
    »Ich sage Ihnen den Weg. Nur weg von hier … bitte …«
    Luise führte die zitternde Frau zur Tür und ließ sie einsteigen. Dann sah sie auf die Uhr. Brechen wir ab, dachte sie. Morgen nacht suche ich weiter. In einer Stunde dämmert es …
    Sie setzte sich neben die leise schluchzende Fremde, ließ den Motor wieder an und bog auf die Fahrbahn zurück.
    »Wohin also?«
    »Zur Ausfahrt Müllheim bitte und dann auf der anderen Seite zurück bis Emmendingen.«
    »Emmendingen.« Luise wiederholte achtlos den Namen. Die Frau lehnte sich zurück, fuhr sich durch die blonden Haare – sie sind zu hell gebleicht, dachte Luise – und sah dann mit einem schnellen, gar nicht müden, sondern sehr abschätzenden Blick auf Luise Sassner.
    Ilse Trapps war mit sich zufrieden. Ihr Auftreten als Lockvogel war gelungen. Die einstudierte Rolle der um ihre Ehre kämpfenden Frau hatte Erfolg. Es war eine Rolle, die immer und überall Mitleid erweckte.
    »Hier abbiegen«, sagte Ilse Trapps an der Abfahrt Müllheim.
    »Ja.«
    Luise Sassner bog von der Autobahn herunter.
    Ilse Trapps kuschelte sich in die weichen Lederpolster. Der große Boss wird mit mir zufrieden sein, dachte sie. Die Frau ist hübsch, aber sich mit mir messen, das kann sie nicht.
    »Mir ist übel«, sagte Ilse Trapps plötzlich. »Halten Sie bitte an, sonst verschmutze ich Ihnen den schönen Wagen …«
    Luise Sassner bremste scharf und fuhr rechts heran. Ilse Trapps taumelte aus dem Wagen und ging ein paar Schritte an einem buschbewachsenen Hang entlang.
    Drei Meter weiter duckte sich Gerd Sassner hinter einem dichten Haselstrauch. Er wartete darauf, daß auch die Fahrerin den Wagen verließ, um sich die Beine zu vertreten.
    Und Luise Sassner stieg aus.
    Ilse Trapps blieb stehen und sah sich um. In der fahlen Dunkelheit – am Himmel zeigte sich schon der Lichtstreifen des beginnenden Morgens – wirkte es so, als habe sie eine Stelle gefunden, wo sie sich übergeben könne. Sie lehnte an einem jungen Baum und umklammerte ihn.
    »Kann ich Ihnen helfen?« rief Luise. Sie kam langsam näher und ging ahnungslos an dem Haselbusch vorbei, hinter dem Sassner hockte wie eine hungrige Riesenkatze. Er hatte die Hände zusammengelegt und rieb sie gegeneinander. Sein Blick war seltsam starr und glänzend. Nicht ein Funken Seele war mehr in ihm … es waren gläserne, völlig entmenschte Augen.
    »Danke! Es geht schon!« Ilse Trapps wartete auf das Hervorschnellen des Schattens hinter dem Busch, auf den schnellen Würgegriff, das kurze Zappeln der Frau und den Zusammenbruch zwischen den Händen des ›großen Boss‹.
    »Ich habe es ausprobiert«, hatte Sassner vor kurzem gesagt. »Sieh es dir an.« Und er war mit Ilse Trapps hinauf in sein winziges Turmzimmer gestiegen, hatte eine der Krähen, mit denen er jeden Tag sprach und die er fütterte mit einem großen Regenwurm, zu sich herangelockt, hatte blitzschnell zugegriffen und dem Vogel das Genick gebrochen. »So ist es«, sagte er, bettete die Krähe dann auf ein Kissen, deckte sie mit einem Küchenhandtuch zu und beweinte seinen ›unschuldigen blauen Vogel‹, der ein Opfer der Wissenschaft geworden war.
    »Es wird den Menschen zugute kommen«, sagte er ergriffen, als sie die tote Krähe im Garten hinter dem ›Gasthaus zur Eiche‹ begruben. »Alles kommt den Menschen zugute, obgleich sie es gar nicht verdienen.«
    Am Abend war dann die Fernsehsendung über die Bildschirme geflimmert, die Sassner und Ilse nicht sahen, weil man ihnen ja den Strom abgestellt hatte und sie im Schein von Kerzen und einer Petroleumlampe ihr dämonisches Leben führten. Ein Licht, das die Schatten dieser beiden Menschen überlebensgroß gegen die Wände warf, riesige gleitende Flecken wie Schemen aus dem sagenhaften Totenreich.
    Aber Zeitungen brachte Ilse Trapps mit. Sie war am Nachmittag nach Emmendingen gefahren, um Lebensmittel zu kaufen. Nur einem modischen Einfall folgend, nicht aus irgendeiner Ahnung, band sie ihre brandroten Haare hoch und schlang ein fröhliches goldrot-blau-gestreiftes

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