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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bäumchen auf den Augenblick, in dem Sassner sich auf die ahnungslose, hilfsbereite Frau stürzen würde.
    Luise Sassner blieb stehen, als sie den Haselbusch passiert hatte.
    Jetzt, dachte Ilse Trapps ohne die geringsten Skrupel. Jetzt geschieht es!
    Sassner tauchte hinter dem Busch auf. Die dunkle Silhouette der Frau gegen den streifig werdenden Morgenhimmel erregte ihn ungemein. Wenn sie sich jetzt vom Boden abhebt, die Arme ausbreitet und fliegt, der kommenden Sonne entgegen – welch ein Bild wäre das! Ich werde ihr dazu verhelfen, ein blauer Vogel zu werden …
    Lautlos, wie ein großer Schatten, warf er sich über Luise, preßte ihre Kehle zusammen und rollte mit ihr gegen die Böschung und in das hohe, noch nicht geschnittene Gras. Ihr Schrei kam nicht über den Willen hinaus, die Atemnot nahm alles weg. Aber noch im Fallen und im Weggleiten in die Bewußtlosigkeit dachte sie: Er ist es! Ich habe ihn wieder. Gerd …
    Als Luise Sassner erwachte, lag sie in einem weißbezogenen Bett. Hände und Beine waren gefesselt. An der Glattheit und Reibung, die sie bei jeder Bewegung spürte, erkannte sie, daß man sie nackt ausgezogen hatten. Neben ihrem Kopf, auf einem alten Nachttisch, brannten zwei Kerzen in abgestoßenen Leuchtern aus Porzellan.
    Ihr Blick ging im Zimmer umher. Gegenüber stand noch ein Bett, sauber bezogen und gemacht. Ein Bauernschrank, zwei Stühle, ein Waschbecken an der Wand, auf dem Dielenboden ein Teppich aus Schafwolle, das war die ganze Einrichtung.
    Irgendwoher, sehr gedämpft, als lägen einige Türen dazwischen, hörte sie Stimmen.
    Gerd Sassner traf in seinem ›Operationssaal‹ die letzten Anordnungen. ›Schwester Teufelchen‹ hatte wieder ihr Berufskleid an, das Spitzenschürzchen auf dem nackten Leib, dazu das Häubchen auf den gebleichten Haaren.
    Vor den Fenstern, vor die man die Läden geklappt hatte, stand der helle Tag. Luise sah es an den wenigen Strahlen, die stricknadeldünn durch einige Ritzen der Läden ins Zimmer stachen.
    Während Luise ihre Umgebung musterte und sich auf das Kommen ihres Mannes vorbereitete, lief Sassner in seinem ›OP‹ unruhig hin und her und spreizte die Finger, nahm die Messer in die Hand, wog das Beil in der Handfläche und warf es dann wieder weg.
    »Mir fehlt heute die richtige Lust, Schwester«, sagte er dumpf. »Ändern wir das Programm.« Er lehnte sich an den breiten Tisch mit den Lederschnüren und verschränkte die Arme vor der Brust. Er trug seinen Operationskittel, die weißen Leinenhosen und weiße Schuhe. »Wenn man bedenkt – der ganze Aufwand für einen einzigen Eingriff! Warten wir ab, bis wir drei Patienten zusammenhaben und somit ein vollständiges Operationsprogramm! Wie geht es der Patientin?«
    »Gut! Sie schläft noch.« Ilse Trapps stand in abwartender Haltung an der Tür. »Was soll jetzt geschehen, großer Boss?«
    »Nichts! Pflegen Sie den Neueingang gut, machen Sie die Dame operationsbereit. Ich lege Wert auf guten Blutdruck, einen normalen Kreislauf und eine psychische Bereitschaft. Kümmern Sie sich darum, Schwester.«
    »Jawohl.« Ilse Trapps nickte. »Und Sie?«
    »Ich lege mich etwas hin. Es war eine anstrengende Nacht. Wenn Sie die Kranke versorgt haben, können Sie zu mir kommen.«
    »In zehn Minuten, Liebling …«
    Sassner drehte sich um. Sein Blick war strafend.
    »Schwester, wir sind im Dienst, bitte!« sagte er streng.
    Mit der Würde eines großen Chirurgen verließ er den ›Operationsraum‹ und ging in sein Zimmer.
    Als die Tür klappte, hob Luise Sassner den Kopf. Sie sah eine Frauengestalt zum Fenster gehen. Durch die Läden flutete plötzlich grelles Licht in den Raum und blendete sie. Sie schloß kurz die Augen.
    Das ist sie, dachte sie. Das rote Weibsstück, mit dem Gerd zusammenlebt. Sie hat die Haare weißblond gebleicht, der Steckbrief stimmt also nicht mehr. Aber sie geht herum, wie es die drei Mißhandelten beschrieben haben … nackt, nur eine Schürze vor dem Bauch. Ich wollte es nicht glauben; so etwas kann nicht wahr sein, dachte ich. Luise Sassner riß die Augen wieder auf. Die Sonne übergoß sie und das Bett mit goldenen Schleiern. Staub tanzte in den Strahlen. Ilse Trapps stand neben dem Bett und blies die Kerzen aus.
    »Guten Morgen«, sagte sie freundlich, als sie bemerkte, wie Luise sie anstarrte. »Ich bin Schwester Ilse. Ich bringe Ihnen gleich Ihr Frühstück. Spiegelei mit Schinken … mögen Sie?«
    »Nein!« Luise versuchte, den Kopf höher zu heben. »Wo bin ich

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