Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Körper, und diese Berührungen nahmen alles von ihr weg, was an Angst und Panik in ihr war. Sie wurde ruhiger und bewunderte ihn wieder. Er ist ein Zauberer, dachte sie. Er könnte es fertigbringen, die Wolken vom Himmel zu ziehen.
    »Ich habe Zeitungen mitgebracht.« Ilse Trapps entzog sich seiner Umarmung und bückte sich. Bei Sassners Kuß waren die Blätter auf den Dielenboden geflattert. »Alle berichten über dich. Die Polizei fahndet nach dir … und … und auch nach mir …«
    »Nach mir?« Sassner kräuselte die Stirn und blätterte die Zeitungen durch. Er sah sein Foto, aber er betrachtete es wie ein völlig fremdes Bild. Den Text las er ohne jede Erregung und schüttelte nur ab und zu den Kopf. »Wieso ich?« fragte er.
    Ilse Trapps starrte ihn entgeistert an.
    »Das bist du nicht?«
    »Nein.«
    »Du bist nicht Gerd Sassner?«
    »Gerd Sassner wurde aufgegessen und längst verdaut …«
    »Nun sprich einmal vernünftig.« Ilse Trapps nahm ihm eine Zeitung aus den Händen und tippte auf das Bild. »Das ist dein Foto. Es gibt keinen anderen Mann, der genauso aussehen könnte wie du. Du bist Chemiker, hast eine Frau und zwei Kinder. Du bist Gerd Sassner.«
    »Wer bin ich?« Sassners Stimme war plötzlich wie eine Fanfare. Sein Blick wurde wild und starr. »Wer, Schwester Teufelchen?« Er krallte beide Hände in Ilses Schulter und drückte sie mit unvorstellbarer Kraft auf die Knie. »Ist die Infektion der Dummheit bis hierher gedrungen? Muß ich auch Ihr Gehirn auswaschen, Teufelchen? Wer bin ich?«
    »Der große Boss …« stammelte Ilse Trapps. Ihre Kehle war trocken, ihr Herz zitterte. »Der große …«
    »Daß man das nie begreift!« brüllte Sassner. »Wo bleibt die Demut!«
    Ilse Trapps wußte, was er damit verlangte. Sie riß sich das Kleid und die Wäsche vom Leib und legte sich ihm nackt vor die Füße wie ein Hund. Ihr weißer Körper schüttelte sich wie im Krampf.
    Bis zum Abend sagte sie kein Wort mehr. Sie kochte das Essen auf dem Kohlenherd, ein gefährliches Unterfangen, denn es ließ sich nicht vermeiden, daß eine dünne Rauchfahne aus dem Schornstein in den Himmel stieg, was immerhin etwas Seltsames bei einem unbewohnten Haus ist. Sassner saß im Gastraum, vor sich drei flackernde Kerzen, und las alle Zeitungen mit der Gewissenhaftigkeit eines Mannes durch, der vom Titelkopf bis zur letzten Anzeige eine Zeitung genießt wie ein Franzose sein Souper.
    »Ich bleiche mir nachher die Haare«, rief Ilse aus der Küche. »Ich habe mir Wasserstoffsuperoxyd mitgebracht.«
    Sassner schwieg. In seinem Hirn rumorte es wieder. Riesige Hämmer schlugen auf ihn ein, in den Schläfen rauschte es wie ein Wasserfall.
    Eine Frau und zwei Kinder, las er. Das kann ich nicht sein, grübelte er. Unmöglich bin ich das. Luise lag tot neben mir, und die Kinder waren weggeweht. Ja, so war es. Ein großer Wind wehte sie weg. Ich lief noch hinter ihnen her, wollte sie festhalten, aber der Sturm riß sie mir aus den Händen. Und sie flogen höher und immer höher, breiteten die Arme aus, wurden zu Vögeln, die blau gegen den stürmischen Himmel schimmerten. Herrlich schwebten sie unter den jagenden Wolken, majestätisch und ruhig.
    Blaue Vögel.
    Sassner sprang auf und warf dabei den Tisch um. Die Kerzen erloschen, aus der Küche stürzte Ilse herbei.
    »Was hast du?« schrie sie. »Wo bist du? Was ist geschehen? Liebling …«
    Sassner stand in der Dunkelheit und keuchte laut.
    »Ich darf nicht rasten«, sagte er dumpf, als sich Ilse zu ihm hingetastet hatte. »Ich habe meine große Aufgabe zu erfüllen. In den Hirnen brodelt das Gas der Dummheit, und die Menschen erkennen nicht, daß sie große Vögel sind. Ich muß sie operieren … ich muß operieren … ich muß operieren … Ist der Wagen klar?«
    »Heute nicht!« Ilse umfaßte ihn. »Die Zeitungen … sie suchen uns … wir müssen ein paar Tage still sein …«
    »Ich muß!« schrie Sassner und umfaßte seinen brennenden Schädel mit beiden Händen. »Ich muß!«
    »Es gibt eine Katastrophe, wenn wir heute fahren …«
    »Schon wieder Widerspruch? Hört das nie auf?« Sassner brüllte wie ein Tier, griff nach Ilse Trapps, aber als er ihre vollen, weichen Formen unter seinen Händen spürte, verflog seine Wildheit. »Bleiche dir die Haare«, sagte er völlig verändert und fast sanft. »Ich habe eine neue Methode ersonnen, Patienten anzuwerben …«
    Diese neue Methode hatte nun in später Nacht ihre Bewährung bestanden. Ilse Trapps wartete an dem jungen

Weitere Kostenlose Bücher