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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehen?« fragte Violetta Müller mit weiten, angstvollen Augen.
    »Wenn du nicht schreist …«
    »Ich schreie nicht! Ich schwöre es, ich schreie nicht …« Mit fliegendem Atem stieß das Mädchen diese Worte hervor. Sie griff zum Rad, aber Sassner stellte sich dazwischen.
    »Violetta Müller.« Er schüttelte den Kopf, als könne er so etwas nicht begreifen. »Violetta, kannst du tanzen?«
    »Tanzen …?« stammelte das Mädchen. »Jetzt?«
    »Ja. Nimm die Blumen, die du gepflückt hast, zieh dein Kleid aus und tanze! Hier, vor mir … über die Wiese … weißt du, wie die Elfen tanzen, um Pan zu gefallen. Wie Libellen in der Sonne sich wiegen. Du kannst es, ich weiß es, ich sehe es dir an. Los … nimm die Blumen, Elfchen Violetta!«
    Und Violetta raffte die Blumen vom Boden, zögernd dann, aber als sie Sassners Augen sah, starr und glänzend, streifte sie das bunte zerrissene Kleidchen ab und begann wieder vor Scham zu weinen.
    »Tanze!« sagte Sassner hart.
    Violetta begann, so gut es ihre vor Grauen zitternden Beine konnten, sich zu drehen, zu wiegen und hin und her zu tanzen. Sie drückte die Blumen vor das Gesicht und betete in sich hinein.
    Gott, lieber Gott, hilf mir. Hilf mir … hilf mir …
    Mutti, o Mutti, ich verliere die Besinnung. Ich kann nicht mehr. Warum bist du jetzt nicht bei mir, Mutti …
    Ob er mich wieder anfaßt? Ob er mich wieder ins Gras wirft? Was soll ich tun? Er ist so stark …
    Lieber Gott … Mutti … helft mir doch!
    Tanzen, tanzen, sich im Kreise drehen, sich wiegen … die Beine sind wie Holzstangen, die Füße wie mit Blei gefüllt. Es geht nicht mehr. Gnade, Gnade …
    Sie fiel in die Knie. Die Blumen rieselten in ihren Schoß. Ihre Augen suchten den Mann.
    Er war gegangen. Das Kleid lag am Waldrand. An der Birke lehnte das Fahrrad. Sie war allein auf der Wiese.
    Sie zog sich an und fuhr weinend nach Hause.
    Als die Mutter die Haustür öffnete, brach Violetta ohnmächtig zusammen.

10
    In Stuttgart, bei der Sonderkommission GROSS X, schellte es Alarm. Über Funk prasselten die Befehle auf die Autobahnstreifen der Polizei hernieder. Einen riesigen Anpfiff mußte der Einsatzleiter, Oberkommissar Heinrich, in Empfang nehmen.
    »Am hellen Tage!« schrie Kriminalrat Quandt im Polizeipräsidium von Stuttgart, wo die Befehlsstelle eingerichtet war. »Dreißig Meter weiter essen Urlauber Würstchen und Ei, dudeln Radios und spielen Kinder Verstecken … und im Mittagssonnenschein kann so etwas passieren wie mit Violetta Müller! Das ist ungeheuerlich! Das ist mehr als eine Blamage! Wo war die Polizei? Wozu lassen wir Kradstreifen fahren? Was machen die Kerle eigentlich, wenn sie Streife fahren? Nach Unterröcken Ausschau halten, was?«
    »Dann hätten sie die tanzende Violetta sofort entdecken müssen«, erwiderte der Chef der Autobahnpolizei sarkastisch. »Bedenken Sie, Herr Rat: Es lag ein Wald dazwischen! Man kann diese Wiese von der Autobahn aus nicht einsehen.«
    »Das ist eine Ausrede, so faul wie chinesische Eier!« Ulrich Quandt, seit vierundzwanzig Stunden Sonderbeauftragter mit allen Vollmachten, war nicht zu beruhigen. In seinen Händen lag jetzt allein der Kampf gegen das Phantom, von dem man so viel wußte und das doch mit Logik allein nicht zu fassen war. Zum erstenmal in diesem Fall war die Kompetenzabgrenzung zwischen den Ländern Bayern und Baden-Württemberg gefallen. Wenn sonst die Polizei der einzelnen Länder für sich ermittelte und eifersüchtig darüber wachte, daß der Nachbarstaat nichts von dem erfuhr, was man hier wußte, wenn diese Eigenbrötlern der Kriminalstellen und Polizeireviere bisher der beste Schutz für Verbrecher war, die nur von Hessen nach Niedersachsen zu wechseln brauchten, um dort sicher wie eine Laus im Pelz zu sein – in diesem Fall sank man sich brüderlich in die Arme und beauftragte Kriminalrat Quandt mit der Klärung des Falles.
    Geteilte Blamage ist leichter zu ertragen.
    »Auf jeden Fall wissen wir jetzt, wie der Mann aussieht und wer er ist.« Der Polizeipräsident von Stuttgart versuchte, durch diese positive Feststellung Quandt zu besänftigen. Vor ihm lagen die Aussagen von Violetta Müller. Ein Foto Gerd Sassners war darüber geheftet. Violetta hatte sofort auf dem Bild den Mann erkannt, der sie überfallen hatte. Sie räumte alle Zweifel aus. »Überall am Kopf hatte er Narben«, schluchzte sie vor dem vernehmenden Kommissar. »Er sah schrecklich aus. Wie in einem Gruselfilm …«
    Ulrich Quandt sah den

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