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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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brüllte man wieder – eine Schwester hatte sich im Garten sehen lassen.
    »Und dann?«
    »Der Chef, Sie kennen ihn ja, verhandelte mit den Patienten, als seien sie normal. Er sprach ihnen gut zu, erklärte ihnen, warum das nicht ginge, und bat sie, zurück auf die Zimmer zu gehen. Die Delegation zog ab, aber als der Chef – ich weiß nicht, wen – anrufen wollte, war das Telefon tot. Man hatte Zanglmeier überwältigt, vor das Haus geworfen und die Zentrale zerstört. Der Chef schickte drei Pfleger los. Sie brachen mit Faustschlägen durch und sollten vom Arzthaus aus die Polizei rufen. Mittlerweile war die ganze Station in Aufruhr. In den Zimmern begann die Zerstörung.«
    »Und ihr habt zugesehen?« schrie Dr. Keller außer sich. »Wir haben neun Ärzte und siebzehn Pfleger im Haus … sind das alles Feiglinge?«
    »Es ist etwas anderes …« Dr. Faber sah an Dr. Keller vorbei. Sein junges Gelehrtengesicht war bleich und übernächtig. »Wir können nicht die Polizei rufen. Im Zimmer neun …« Er stockte.
    »Was ist in Zimmer neun?«
    »Sie halten Fräulein Angela als Geisel fest!«
    »Nein!« Dr. Keller riß sich los und stürzte zum Eingang. Die drei Irren in der Pförtnerloge hoben die abgerissenen Stuhlbeine. Ein vierter, der in der Halle stand, machte sich bereit, als Kurier nach oben zu laufen: Die Ärzte greifen an!
    Dr. Faber klammerte sich wie ein Ertrinkender an Dr. Keller.
    »Seien Sie vernünftig, Keller!« schrie er dabei. »Sie haben gedroht, Fräulein Angela reihum zu vergewaltigen, wenn wir die Polizei rufen oder einzudringen versuchen. Es ist schrecklich, furchtbar, aber noch sind uns die Hände gebunden …«
    Dr. Keller blieb schwer atmend in der Tür stehen. Die drei Irren in der Glasloge grinsten breit.
    »Wo ist der Chef?« fragte Keller tonlos.
    »In seinem Zimmer. Zusammen mit sieben Pflegern und drei Ärzten. Sie haben sich eingeigelt. Vor der Tür stehen drei Kranke Wache. Würde der Chef ausbrechen, gäbe es eine Katastrophe.«
    »Wie konnte das überhaupt geschehen?« Dr. Keller trat unter das Vordach hinaus. Gebrüll empfing ihn. Am Fenster von Zimmer neun stand der bullige Bademeister Jakob Hintzler und winkte Dr. Keller zu.
    »Der Chef glaubt, daß es Poldi doch gelungen ist, einigen Kranken bisher unbestimmbare Drogen zu injizieren, die aufrührerisch und sexuell anregend wirken. Dann war es wie eine Lawine … die Erregung schwoll und schwoll, bis der Vulkan ausbrach.«
    »Wollen Sie Ihr Mäuschen sehen?« brüllte von Zimmer neun Bademeister Hintzler. Er winkte in den Raum. Mit aufgerissenen Augen sah Dr. Keller, wie zwei Kranke Angela heranschleppten. Sie sah müde, aber nicht verletzt oder mißhandelt aus.
    »Angela!« schrie Dr. Keller. »Angela! Haben sie dir etwas getan?«
    »Sie sind alle sehr nett zu mir.« Angela hob die Hand zum Winken. »Hab keine Sorge, Bernd. Es sind alles Gentlemen.«
    Dr. Keller schluckte krampfhaft. Die tapfere Haltung Angelas erschütterte ihn. Nicht reizen, das ist eine alte Regel in der Psychiatrie. Immer höflich zu den Kranken. Immer nett. Niemand ist so empfindlich wie ein Irrer.
    »Bleib ganz ruhig«, rief Dr. Keller. Die Kranken in den Fenstern schwiegen jetzt. Die plötzliche Stille war bedrückend. »Die Sonne ist noch sehr kräftig. Wenn es nachher sehr heiß im Zimmer wird, dann nimm ein Handtuch, mach es naß und drücke es gegen das Gesicht. Das kühlt. Verstehst du mich?«
    Angela nickte. Der riesige Bademeister grinste.
    Dr. Faber griff an Kellers Arm.
    »Was haben Sie vor?« flüsterte er.
    »Kann ich den Professor sprechen?« rief Dr. Keller hinauf.
    Jakob Hintzler nickte. »Aber nur kurz!« brüllte er aus dem Fenster.
    Keller und Faber rannten zur anderen Seite des Schlosses, wo die drei Fenster des Chefzimmers lagen. Angelockt von der Stille, starrten zwei Ärzte durch die Gardinen nach draußen. Als sie Dr. Keller sahen, verschwanden ihre Köpfe. Dafür erschien der weißhaarige Gelehrtenschädel Professor Dorians. Keller machte Zeichen, das Fenster zu öffnen. Er sah, wie Dorian zögerte. Die Sorge um Angela hatte ihm allen Mut genommen. Aber dann schwang das Fenster doch auf. Dorian lehnte sich heraus.
    »Ich weiß alles von Faber!« rief Keller hinauf. »Ich habe eben mit Angela gesprochen, es geht ihr gut. Sie wird im Zimmer neun festgehalten. Könnt ihr euch Masken machen?«
    »Wozu?« Dorians Stimme war wie gebrochen. Seine Klinik, sein Lebenswerk, wurde von seinen Kranken zerstört. An alles hatte er gedacht, an

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