Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
der Instinkt des Gehorsams vor dem Stärkeren, so wie ein Hund seinen Herrn anerkennt, ein dressierter Löwe seinen Dompteur, ein Reitpferd den Schenkeldruck seines Reiters.
    Diese Filme, vor allem die Zeitlupenaufnahmen, die kleinste Bewegungs- und Regungsnuancen aufzeichneten, hatten schon viel dazu beigetragen, daß Dorian eine Therapie änderte, daß er auf Dinge aufmerksam wurde, die eine normale Beobachtung nie an den Tag gebracht hätte.
    An diesem ersten Abend auf Hohenschwandt war Gerd Sassner bester Laune. Vital und körperlich gesund, aß er reichlich von dem zart gebratenen Roastbeef, trank ein paar Glas des blutroten Châteauneuf-du-Pape und nahm sich eine Zigarre aus der Kiste, die ihm Professor Dorian hinhielt.
    Er war gesprächig und witzig, geistvoll und charmant gegen Angela Dorian … nur als er ihr vorgestellt wurde und er den Namen Angela hörte, zog wieder ein Hauch von Melancholie über seine Augen. Aber es war nur ein Anflug, der sofort wieder verschwand. Den Namen Benno Berneck erwähnte er an diesem Abend nicht ein einziges Mal. Das war verwunderlich … Dorian beobachtete ihn scharf mit seinen tiefblauen Augen. War es die Ruhe vor einem Sturm?
    Luise saß neben Sassner und aß tapfer mit. Ab und zu lächelte sie ihren Mann an und fiel von einem Zweifel in den anderen.
    Er ist nicht anders als sonst, dachte sie. So kennen wir ihn alle, wenn er in Gesellschaft ist. Man ist fasziniert von ihm. Er ist ein gutaussehender, eleganter, kluger Mann. Er wirkt auf Frauen, er weiß es ganz genau, er spielt mit ihren geheimen Empfindungen … aber dann sieht er mich an, blinzelt mir heimlich zu, und das heißt: Wer kann dich übertreffen?
    Und dieser Mann soll krank sein?
    Professor Dorian lehnte sich weit zurück und sah auf seine glimmende Zigarrenspitze. Ein Pfleger im Frack des Kellners räumte den Tisch ab. Dr. Keller fuhr einen Barwagen heran, Angela Dorian zerkleinerte mit einer Zange die Eisstückchen in einem Thermokessel. Irgendwo summte es kaum vernehmbar … es konnte ein Ventilator sein, aber es war die Filmkamera hinter einem üppigen Gummibaum in der Ecke. Dr. Kamphusen hatte sie eingestellt.
    »Erzählen Sie mir von sich, lieber Herr Sassner«, sagte Dorian freundlich. »Sie waren mir schon lange bekannt … ich dünge mit Ihrem wirklich sehr guten Humosan . Mehr aber weiß ich nicht.«
    »Wollen Sie einen Lebenslauf?« lachte Sassner. »Ich wurde am 19. August 1921 als Sohn ehrbarer Eltern in Krefeld geboren. Mein Vater war Postbeamter, meine Mutter stickte gern großgeblümte Tischdecken. Unsere ganze Verwandtschaft wurde damit versorgt. Ich erinnere mich, daß mein erster Spielanzug einen Latz hatte, auf den sie eine Ranke Klematis gestickt hatte …«
    »Um Gottes willen!« Professor Dorian hob lachend die Zigarre. »Nicht so, lieber Sassner.« Er senkte etwas den Kopf und warf einen schnellen Blick zu seinen Oberärzten. Die Kamera lief, das Tonband ebenfalls. Jetzt kommt ein Schlag, hier dieser kurze Blick. Achtung, aufgepaßt! Jetzt steche ich tief in ihn hinein, in dieses Unbekannte, das wir morgen erkennen werden.
    »Erzählen Sie uns etwas … na, sagen wir … aus dem Krieg …«
    Sassners Gesicht veränderte sich nicht. Die Hände lagen still auf den Schenkeln. Nur die Füße bewegten sich, ganz leicht, scharrend.
    »Warum?« fragte er. Der Klang seiner Stimme hatte sich verändert. Er war härter als sonst. »Ich hasse den Krieg, das vorweg. Ich hasse alles, was militärisch ist. Ich habe selten über den Krieg gesprochen, mit meiner Familie kaum, nicht wahr, Luise? Eigentlich gibt es nur einen, mit dem man sich darüber unterhalten kann. Mein Freund Berneck.«
    Da war es! Dorians Augen sahen Sassner still und väterlich an. Was folgte nun?
    Sassner schlug ein Bein über das andere und trank einen Schluck Wein. Beim Absetzen des Glases zitterte seine Hand ein wenig.
    »Es war ein anstrengender Tag, Herr Professor«, sagte er abrupt. »Die Fahrt, die Luftveränderung, die Umgewöhnung … haben Sie Mitleid und schicken Sie mich ins Bett.« Er erhob sich ruckartig. Dorian und die Ärzte folgten. Luise blieb sitzen, schmal, demütig, die Hände im Schoß gefaltet. Sassner warf einen kurzen Blick zu Angela Dorian. Sie hockte vor dem Kamin und legte ein paar Scheite auf das nur noch glimmende Feuer.
    »Ich … ich habe ein Einzelzimmer«, sagte Sassner stockend. »Wenn ich darum bitten dürfte, daß meine Frau …«
    Luises Kopf zuckte hoch. Ihre Augen schrien alle Qual hinaus,

Weitere Kostenlose Bücher