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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die ihr Inneres zerriß. Professor Dorian legte die Hand auf Sassners Arm.
    »Das ist doch selbstverständlich. Während wir aßen, ist das Zimmer ummöbliert worden.«
    »Ich danke Ihnen, Herr Professor.« Sassner ergriff Dorians Hand und drückte sie herzhaft. »Welches Zimmer hat mein Freund?«
    »Zimmer elf, neben Ihnen«, antwortete Dorian ohne Zögern.
    »Das ist schön. Gute Nacht, Herr Professor.«
    Er gab jedem die Hand, Angela küßte er den Handrücken. Dann faßte er Luise unter und verließ den Salon, als sei eine Party beendet.
    In der Ecke stellte Dr. Kamphusen Kamera und Tonband ab.
    Die Nacht war mondhell und kühl.
    Sie lagen eng aneinandergepreßt nackt unter der Daunendecke, spürten beglückt die Wärme des anderen und die Glätte der Haut unter den streichelnden Händen. Das Fenster war weit geöffnet, mit der Kühle drangen auch die Geräusche der Nacht herein … ein fernes Hundejaulen, Kreischen einiger Katzen, das Rauschen der Wälder hinter dem Herrenhaus, weit, weit weg der Pfiff einer Lokomotive. Dazwischen immer wieder Stille, aber nie vollkommen, vielmehr wie ein lautloses Atmen der Erde, das man nur ahnt.
    »Bin ich verrückt?« sagte Gerd Sassner plötzlich.
    Luise fuhr zusammen. Ihre Finger preßten sich gegen seine Lenden.
    »Wie kannst du so etwas sagen, Gerd?«
    Er lächelte. Im fahlen Mondlicht sah sie es deutlich. Ein wehes Lächeln.
    »Glaubt ihr, ich weiß nicht, wo ich bin? Klinik Hohenschwandt … das klingt hochherrschaftlich. Sicherlich ist es auch teuer. Aber trotz allem bleibt es doch ein Irrenhaus. Eine Klapsmühle in Samt und Seide.«
    »Wie kannst du so etwas sagen?« wiederholte sie. Es fiel ihr keine andere Entgegnung ein. Außerdem hatte sie Angst. Zum erstenmal Angst in zwanzig Jahren neben ihm.
    »Ich wette, hier sind die Gummizellen mit echtem Leder bespannt. Und wenn die Wärter schlagen müssen, sagen sie hinterher ›Entschuldigung, mein Herr‹!«
    »Du bist ekelhaft.« Luise rückte von ihm ab. Er rollte sich etwas zur Seite, griff nach ihrem weichen, warmen, glatten Körper und zog ihn wieder an sich. Liebkosend fuhr seine Hand über Brüste und Bauch und blieb auf ihrer Hüfte liegen. Sein Gesicht war dicht über ihr … sie hatte es seit Jahren nicht so offen, so voller Sehnsucht gesehen.
    »Du hast dich nicht verändert, Rehlein«, sagte er. »Du bist schön geblieben wie vor zwanzig Jahren. Und dabei haben wir zwei große Kinder, und es war nicht immer leicht in unserem Leben. Du aber bist geblieben, wie du warst. Man muß dich bewundern. Nur ich habe mich verändert …«
    »Du? Gar nicht! Überhaupt nicht …«
    Ihre Arme legten sich um seinen Nacken. Es war wie bei ihrer ersten Begegnung … ihr Körper bebte in allen Nerven, sie wartete auf ihn, und sie hatte das Gefühl, vor Erregung weinen zu müssen, wenn er jetzt wieder gehen würde.
    »Man hat mich in ein Irrenhaus gebracht! Warum? Was habe ich getan? Ich könnte mich wehren, meine Anwälte mobilisieren, ich könnte einen Skandal machen … aber warum? Ich beuge mich. Ich will sehen, was sie mit mir machen. Ich will wissen, wo und wie ich verrückt sein soll. Und dann werde ich ihnen beweisen, wie normal ich bin! Ich werde die ganze Psychiatrie ins Absurde führen! Man sollte diesen Doktor Hannsmann einsperren … er ist verrückt. Aber zum Glück habe ich ja einen Zeugen meiner Normalität: Benno Berneck.«
    »Gerd!« Es war ein Aufschrei, dumpf und stöhnend. Sie riß seinen Kopf zu sich herunter, er fiel auf sie, deckte sie mit seinem Körper zu, eine schwere Last, die sie nicht empfand, seine Hände lagen neben ihren Schultern, und sie drückte sein Gesicht zwischen ihre Brüste, in dieses warme, duftende Tal, in dem sein Gesicht so oft gelegen hatte in den zwanzig schönen Jahren, manchmal stumm, manchmal tief atmend und erlöst, und so hielt sie ihn fest, mit aller Kraft und aller Verzweiflung.
    »Sprich nicht weiter … bitte, bitte … sprich nicht weiter«, sagte sie in sein Ohr. »Ich liebe dich … ich bin bei dir … ich bin immer, immer bei dir … Ich werde nie aus deiner Nähe gehen …«
    »Meine Frau …« Er drehte sich … das weiche Bett zwischen ihren Brüsten schien ihn zu betäuben … er lag still wie ein Kind, das sich in mütterliche Wärme flüchtete … und erst nach langer Zeit merkte sie, daß er schlief.
    Da weinte sie.
    Gerd Sassner hatte gut geschlafen und vor dem Frühstück lange gebadet. Er nahm seinen hellgrauen Anzug aus dem Schrank, band sich einen

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