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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zusatz von Vitamin C. Täglich spritzte ihm Dr. Keller eine halbe Ampulle Lobelin zur Stützung des Atemzentrums, jeden zweiten Tag 2 cm³ Becocym.
    Gerd Sassner schlief vierzehn Tage lang. Seine Seele sollte ausruhen. Tat sie es?
    Luise Sassner hatte diese beiden Wochen dazu benutzt, in ihrer Familie und in der Fabrik Klarheit zu schaffen. Das Zögern in Professor Dorians Stimme, seine ausweichenden Antworten, die um die volle Wahrheit herumschlichen, hatten ihr verraten: Gerd ist kränker, als wir alle denken. Dieser Sonntag im Wochenendhaus war nur ein Anfang … was noch folgen wird, wer weiß es? Wir müssen uns damit abfinden – das ist das einzige, was wir mit Sicherheit wissen. Was hilft Klagen und Weinen? Was hilft die Frage: Warum? Warum gerade Gerd? Warum trifft es unsere glückliche Familie? Jetzt, nach zwanzig Jahren Aufstieg, Erfolg, Reichtum? Warum?
    Es ist die Frage, die sich alle stellen, wenn ein Mensch sich verändert und aus der normalen Welt hinaustritt. Und es hat auf diese Frage noch nie eine Antwort gegeben.
    Es war der schrecklichste Abend in Luises bisherigem Leben, als sie die Kinder links und rechts neben sich auf der Couch sitzen hatte, ihnen die Arme um die Schultern legte und sie an sich zog.
    »Paps ist sehr krank«, sagte sie tapfer. »Der Professor in Hohenschwandt war ehrlich, ich will es zu euch auch sein. Keiner weiß, ob wir ihn so wiederbekommen, wie wir ihn alle kennen. Wir müssen alle sehr, sehr tapfer sein.«
    Dorle nickte. Ihre Lippen zuckten. Sie bezwang ihr Weinen, sie wollte stark sein. Andreas starrte auf den roten Teppich. Er begriff das alles nicht so recht. Paps ist krank, das ist klar, dachte er. Die Sache mit dem Schuh, total verrückt. Aber Paps ist doch nicht verrückt! Das gibt's doch gar nicht.
    »Es wird bestimmt wieder gut«, sagte er. »Die Ärzte übertreiben immer. Wie damals bei mir … ein bißchen Fieber, belegte Mandeln, und schon wird der Hannsmann wild.«
    »Natürlich, Andy.« Luise streichelte dem Jungen über das struppige Haar. Sie lächelte sogar. »Aber finden wir uns damit ab, daß wir Paps lange Zeit nicht wiedersehen. Ihr müßt jetzt zeigen, daß ihr schon groß seid, daß ihr allein mit euren Sorgen fertig werdet … und wenn Paps dann nach Hause kommt und sieht: Alles in Ordnung, gute Zeugnisse, dann freut er sich besonders.«
    »Ehrensache, Ma.« Andreas sah zu Dorle hinüber. Sie weinte, lautlos, die Tränen liefen ihr einfach aus den Augen. Andreas lehnte sich zurück in Luises Arm. Immer diese Heulerei, dachte er. Davon wird Paps auch nicht gesund.
    In der Fabrik gab es keine Störungen. Der Betrieb arbeitete weiter. Der erste Direktor hatte die Leitung übernommen, das Labor Sassners der Chefchemiker. Die Versuchsreihen liefen weiter. Ein Gremium aus den Direktoren und dem Syndikus nahm die Geschäfte Sassners wahr. Jetzt erst sah man, was Sassner alles selbst getan hatte. Man bewunderte seine Arbeitskraft und seine Nerven.
    »Wenn Ihr Gatte zurückkommt, gnädige Frau«, sagte der erste Direktor, als Luise den Direktoren kurz Bericht erstattet hatte, »wird er mit uns voll zufrieden sein. Die Auslandsverhandlungen stehen gut, die neuen Präparate schlagen ein. Jeder bedauert die Krankheit Ihres Gatten.«
    Es steht alles gut. Die Fabrik arbeitet. Das Geld fließt herein. Es gibt keine finanziellen Sorgen.
    Luise fuhr zurück nach Hohenschwandt.
    Ich möchte arm sein, arm wie ein Bettler unter den Brücken von Paris … wenn ich Gerd gesund wiederbekomme. Ganz gesund. So wie früher. Ich gäbe alles dafür hin. Aller Reichtum dieser Welt ist nichts gegen das Quentchen Gesundheit, das ihm fehlt.
    Als sie in Hohenschwandt eintraf, kam sie in eine hochexplosive Atmosphäre.
    Professor Dorian hatte sein großes, letztes Experiment vollendet: In einer Glasschüssel, die in einer ständig auf Körpertemperatur gehaltenen gläsernen Truhe stand, lag ein Affengehirn.
    Das Gehirn lebte. Es wurde durch einen künstlichen Blutkreislauf ernährt, hatte die nötige Temperatur, die genau dosierte Sauerstoffmenge, im Blut schwammen Nährstoffe durch alle Hirnbahnen bis hin zu den kleinsten Verästelungen. Ein Gewirr feinster Drähte umspann das aus dem Kopf genommene Affengehirn und leitete die Ströme des lebenden Hirns zu einem Kurvenschreiber … der unwiderlegbare Beweis, daß diese rosagraue breiige Masse auf dem Glasteller lebte und – was das Erregendste oder Schrecklichste war – daß sie vielleicht sogar dachte, empfand, wahrnahm.
    Dr.

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