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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Erlebnisreaktion aber muß – ich will ganz ehrlich sein – mit einer traumatischen Neurose gekoppelt sein, sonst wäre die Hypnose nicht ein solch glatter Versager gewesen. Die Schlafkur wird uns das ganz klar zeigen.«
    »Und … und wenn auch sie mißlingt?« fragte Luise leise.
    Professor Dorian wich aus. »Warten wir es ab.« Das Wort Operation scheute er noch selbst. Es wird keinen anderen Weg geben, hatte er in diesen Tagen oft gedacht, wenn er allein in seinem Zimmer saß und immer wieder die Operationsberichte an seinen Tieren durchlas. Die letzten Nächte kam er kaum zum Schlafen … wenn in der Klinik Hohenschwandt alle Lichter ausgegangen waren und nur aus den Zimmern der Nachtschwestern das matte Licht hinaus in die Nacht fiel, ging er hinüber in den ›Tierbau‹ und beobachtete stundenlang, oft bis zum Morgen, seine operierten Affen.
    Johann, der Gorilla, lebte noch, aber er lebte als stumpfe, zottelige, schwarzbraun behaarte Masse Fleisch. Dr. Kamphusen hatte keine andere Möglichkeit gesehen, als ihn zu leukotomieren, und zwar so gründlich die frontothalamischen Bahnen zu durchtrennen, daß Johann zu einem Wesen ohne Eigenwillen wurde. Er hockte in seinem Käfig, spielte mit Holzklötzchen, grinste Professor Dorian an und hatte jegliche eigene Persönlichkeit eingebüßt.
    Ich bin auf dem richtigen Weg, dachte Dorian in diesen langen Nachtstunden. Leukotomieren, das kann heute jeder Psychochirurg. Aber ich will die Kranken nicht stumpf machen – ich will sie heilen, aktivieren, sie sollen vollwertige Menschen werden, ich will sie erlösen von ihren Hirnteilen, deren Krankheit sie zu Irren degradiert, ich will andere Hirnteile mit ihren Ganglien zusammenkoppeln und zu vermehrter Tätigkeit reizen, damit sie einen Ersatzmenschen schaffen, der besser ist als der alte. Das ist ungeheuerlich, ich weiß … aber was war in der Medizin nicht ungeheuerlich, als es neu war? Dieffenbachs erste große Transplantationen. Albrecht v. Graefes Operationen des ›Grünen Stars‹. August Biers Lumbal-Anästhesie. Sauerbruchs Griff ans offene Herz. Die Herz-Lungen-Maschine. Die Kälte-Narkose.
    Der Ersatz zerstörter Arterien durch Kunststoffadern aus Teflon. Das Einpflanzen von ›Schrittmachern‹ ins Herz, einem Motor mit Batterie, der das Herz zum Weiterschlagen anregt. Die eiserne Lunge. Die künstliche Niere. Demichows Hund mit den zwei Köpfen. Die russische Gefäßnahtmaschine. Die Polio-Impfung mit Lebendvakzinen. Die Anti-Baby-Pille.
    Immer hieß es vorher: Unmöglich! Phantastereien. Die Medizin ist kein Tummelplatz für Sensationen und Spielereien.
    Was aber wäre die Medizin heute ohne die großen Phantasten?
    Und das Hirn? Soll es ein Heiligtum bleiben, in dem man sich nur voller Ehrfurcht vortastet, soweit man sehen kann? Ein Tumor … man schneidet ihn aus. Hämatome, man entlastet das Hirn von ihnen. Wucherungen, man nimmt sie heraus. Aber dann weicht man zurück. Das unbekannte Land bleibt verschlossen.
    Es ist nicht unbekannt für mich, sagte Dorian sich immer wieder in diesen Nächten. Ich habe es durchwandert. Ich habe die Hirnrindenfelder blockiert und aktiviert, ich habe Hormone gespritzt und Vitamine. Ich habe die Nerven durch elektrische Reize zum Schwingen gebracht, tote Nerven bisher, aber sie waren ja nicht tot, sie schliefen bloß. Ich bin dem Geheimnis der menschlichen Intelligenz nachgeschlichen, ein Labyrinth war es aus Zellen, Nerven, Ganglien, Hormonen, Säften und deren phantastischem Zusammenspiel. Ich kann Menschen wie Gerd Sassner heilen. Ich brauche nur den Mut, zum erstenmal mein Skalpell an einem menschlichen Hirn anzusetzen.
    Ein grandioser Mut.
    In diesen Nächten entwickelte Professor Dorian einen Plan. Er zeichnete und rechnete, er las Berge von Fachliteratur und wußte dann, daß in den nächsten Tagen die letzten Zweifel zur Seite geräumt werden würden.
    Unterdessen lag Gerd Sassner in tiefem Dauerschlaf.
    In einem verdunkelten Einzelzimmer lag er, das durch eine Glaswand mit dem Wachraum verbunden war, von dem aus ein Assistenzarzt Tag und Nacht den Kranken beobachtete. Alle zwei Stunden wurden Blutdruck, Puls, Atmung, Temperatur und Schlaftiefe gemessen und in ein Berichtsbuch eingetragen. Dreimal täglich wurde ihm eine Ampulle Somnifen injiziert, die den Dauerschlaf bewirkte. An Sassners Bett stand ein Infusionsgalgen bereit … sechsmal täglich wurde er rektal ernährt mit einem Tropfeinlauf von 400 cm³. Es war eine 2,5prozentige Traubenzuckerlösung mit

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