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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß sich meine Tochter gegen ihren Vater entscheidet! Machen Sie Platz, Doktor Keller.«
    Er stieß Dr. Keller mit den Ellenbogen von der Tür und stürmte aus dem OP. Der junge Arzt lief ihm nach. Um nicht Beobachtern ein Schauspiel zu geben, verlangsamte er die Schritte, als sie ins Freie traten und dem Herrenhaus zugingen.
    Im Inneren des Hauses blieb Dorian stehen.
    »Ich spreche mit Angela allein!« herrschte er Dr. Keller an.
    »Bitte.«
    »Zu gnädig.« Dorian riß die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf und warf sie Dr. Keller vor der Nase zu. Tief atmend blieb er mitten in dem großen Raum stehen und legte beide Hände aufs Herz.
    Er hat recht, dachte er. Der junge Kerl hat recht. Aber ohne Mut und Selbstvertrauen gibt es keinen Fortschritt. Die Menschheit lebte noch in Höhlen und kleidete sich in Felle. Der Fortschritt ist die Aufgabe des Menschen. Dafür lebt er! Es ist sein göttlicher Auftrag.
    Er ging langsam zu dem breiten, mit Papieren übersäten Schreibtisch, setzte sich in den hohen Stuhl und rief über die Haussprechanlage seine Tochter zu sich. Dr. Keller hörte es auf dem Flur, Dorians Stimme war in allen Lautsprechern.
    »Angela bitte zu mir …«
    In der Nacht kam Angela in Dr. Kellers Zimmer. Sie huschte in die Finsternis und schloß hinter sich ab. Dann lief sie zum Bett, warf den Bademantel ab und legte sich neben Dr. Keller.
    Er erwachte, wußte erst gar nicht, was geschehen war, fühlte dann ihren Körper, drehte sich auf die Seite und sah sie an. Ihr Gesicht war ein heller Fleck in der Dunkelheit. Als er zur Seite griff, um die Nachttischlampe anzuknipsen, hielt sie seine Hand fest.
    »Laß es dunkel, Bernd …«
    »Es ist schön, daß du gekommen bist«, sagte er rauh.
    »Ja …« Sie kuschelte sich an ihn. Ein Duft von Parfüm umwehte ihn. »Du hast mich nicht erwartet?«
    »Nein.«
    »Du bist mir den ganzen Tag aus dem Weg gegangen. Warum?«
    »Ich hatte Angst.«
    »Du Dummer …«
    »Ich hatte schreckliche Angst. Du ahnst nicht, wie ich dich liebe …«
    »Und wenn es darauf ankommt, läufst du weg.«
    »Du hast einen Vater, der stärker ist als ich.«
    »Ja?«
    »Er hat dir alles gesagt.«
    »Alles.«
    »Ich soll gehen.«
    »Ich weiß es.«
    »Er will unsere Verlobung lösen.«
    »Ja.«
    »Und du?«
    »Bin ich nicht bei dir …?«
    Er nickte. Er fühlte ihre zärtlichen Hände. Er spürte ihre Lippen auf seiner Brust, seinem Hals, tastend nach seinen Lippen. Ihr Körper war glatt und geschmeidig, als sie ein Bein über seine Hüfte schob.
    Später rauchten sie. Zwei glimmende Punkte in der Schwärze der Nacht.
    »Du gehst mit nach München?« fragte er.
    »Nein.«
    »Warum?«
    »Wir bleiben beide hier. Vater braucht uns …«
    Noch nie war eine Nacht so lang.
    Professor Dorian saß in diesen Stunden wieder vor seinem Affenhirn.
    Nach vierzehn Tagen wurde Gerd Sassners Dauerschlaf abgebrochen. Die Tropfeinläufe hörten auf, Dr. Kamphusen injizierte Weckamine, Herztätigkeit und Kreislauf wurden normalisiert. Gerd Sassner kehrte in die laute Welt zurück.
    Luise saß am Bett, als er erwachte; er nahm ihre Hand und küßte sie. Dann sah er sich um und zog plötzlich die Schultern zusammen, als donnere es unmittelbar über ihm.
    »Dieses Zimmer«, sagte er. »Warum ist es so eng? Mein Gott, die Decke fällt einem ja auf den Kopf. Und Luft fehlt … frische Luft. Mach doch das Fenster weit auf, Luise!«
    »Sofort.« Sie ging zur Balkontür, die weit offen war, aber Luise bewegte sie, als öffne sie den Glasflügel. Sassner saß im Bett, atmete tief und keuchend, seine Augen hatten einen starren Ausdruck, in dem Angst schimmerte.
    »Diese Enge!« Er sprang aus dem Bett, lief auf den Balkon und reckte sich. »Ah! Weite! Weite! Natur! Luft! Frische Luft. Das ist Leben!«
    Dr. Kamphusen hatte große Mühe, ihn wieder ins Zimmer zu holen. Mit fliegenden Fingern zog sich Sassner an und rannte dann erneut auf den Balkon.
    »Ich kann nicht im Zimmer sein!« sagte er zu Luise. »Die Decke fällt mir auf den Kopf. Ich habe immer das Gefühl zu ersticken! Das ist furchtbar, sage ich dir, furchtbar! Ersticken ist ein Tod, der mit nichts vergleichbar ist. Wenn du weißt, du erstickst, wenn du es siehst … Luise, sag allen, daß ich draußen leben muß, daß ich hier esse und schlafe … ich gehe nicht mehr ins Zimmer zurück.«
    Professor Dorian hatte Verständnis für Sassners neue Psychose. Die Raumangst nahm völlig Besitz von ihm. Der fortschreitende Verfall war schnell … und eines Tages kam

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