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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stunden lang mit dem letzten Enzephalogramm und allen Hirntestungen Sassners beschäftigt, er hatte die Reflexe untersucht, das Merkvermögen, die Erinnerung, er hatte sich mit Sassner über so ferne Dinge wie über die ägyptischen Dynastien unterhalten, über die Diadochenkämpfe, über Homers Ilias und die Reisen des Marco Polo – dann gab er auf. Der Intelligenzgrad war hervorragend, die Antworten kamen ohne langes Nachdenken. De Cryter machte sich Notizen. ›Ein Sonderfall‹, notierte er sich, ›von dem keine Normen abzuleiten sind. Dorian hat Glück gehabt. Ein Gehirn scheint mehr aushalten zu können, als man bisher glaubte.‹
    Im Zimmer warteten Sassners Kinder auf den Papi. Die großen Ferien hatten längst begonnen. Sechs Wochen keine Schule. Sechs Wochen Nichtstun. Und nun mit Papi im Schwarzwald, Rehe beobachten, Forellen in Wildbächen fangen, über die Bergkämme wandern, mit den Pferden des Forsthauses ausreiten, in den klaren Bergseen schwimmen … ein paar Wochen Herrlichkeit auf Erden.
    Die Besprechung der Professoren war kurz. Über Mißerfolge kann man jahrelang diskutieren … ein Erfolg, vor allem, wenn von niemandem erwartet, wird mit ein paar Worten zur Kenntnis genommen. Schließlich ist es die Aufgabe der Medizin, den Kranken zu helfen.
    »Ihr Patient, lieber Kollege, ist gesund«, sagte Professor Vamocz aus Budapest, der sich zum Sprecher seiner Kollegen machte. »Ihnen ist zum erstenmal eine Ausschneidung aus dem Orbitalhirn ohne Persönlichkeitsumwandlung gelungen. Wir gratulieren.«
    »Ich danke Ihnen, meine Herren.« Dorian verbeugte sich. »Sie haben wie ich keine Bedenken, den Patienten zu entlassen?«
    »Keine. Der Mann strotzt vor Gesundheit und Normalität.«
    »Dann kann er heute zurück ins Leben.« Dorians Herz begann zu zucken. Dieser Augenblick war überwältigend. Sein Lebenswerk war erfüllt. Er schüttelte die Hände seiner Kollegen, und plötzlich war er müde, unendlich müde und sehnte sich nach einem Bett, nach Ruhe, nach Dunkelheit.
    Am Nachmittag verließ Gerd Sassner die Klinik. Es war ein Abschied wie für einen König. Alle Ärzte, Schwestern und Pfleger standen in der Halle von Hohenschwandt und winkten. Der Chauffeur war vorgefahren, Dorle und Andreas trugen die Blumen in den Kofferraum, die von den anderen Patienten gekauft worden waren. Dorian umarmte Sassner wie einen alten Freund, ehe er ihn zum Wagen brachte.
    »Wie kann ich Ihnen danken?« sagte Sassner immer wieder. »Worte sind einfach zu wenig! Aber ich werde Ihren Namen in alle Welt tragen, Professor. Es wird keinen Menschen, den ich kenne, mehr geben, der nicht Ihren Namen eingebrannt erhält. Das ist alles, was ich tun kann.«
    »Nein.« Dorian schlug die Autotür zu und stützte sich auf die heruntergekurbelte Scheibe. »Werden Sie glücklich, leben Sie im Glück, verbreiten Sie Glück. Machen Sie sich Ihre Welt so schön, wie Sie können. Der Mensch weiß gar nicht, wie wertvoll sein Leben ist, sein Geist, seine schöpferische Persönlichkeit. Es gibt nichts Schöneres als das Leben. Und nun fahren Sie ab! Dieses herrliche Leben ruft Sie!«
    So verließ Gerd Sassner die Klinik Hohenschwandt.
    Er beugte sich aus dem Fenster und winkte, solange er noch etwas sehen konnte von dem alten Herrenhaus, den Nebengebäuden, dem Park, dem Wald, dem Hügel zwischen den Tälern und Bergen. Dann sank er zurück und lehnte den Kopf an Luises Schulter.
    »War ich wirklich so krank?« fragte er leise.
    Sie nickte. »Ja …«
    »Und nun?«
    »Nun ist alles wie früher, Gerd.«
    »Ja.« Er schloß die Augen. Seine Lippen waren schmal, etwas verkniffen. »Ich freue mich auf die Ferien mit euch …«
    Eine ganze Zeit saß er dann so im Wagen, den Kopf weit zurückgelehnt, die Augen geschlossen. Luise streichelte ihm die Hände.
    Er verschwieg, daß er seit zwei Tagen, ganz plötzlich ausbrechend und ebenso plötzlich wieder verklingend, wahnsinnige Schmerzen in der Stirn hatte.
    Am späten Abend trafen sie in Wilsach ein.
    Es war ein winziger Flecken mitten im Hochschwarzwald, dort, wo er am unberührtesten war, fernab vom lauten Fremdenverkehr. Im Forsthaus, das gleichzeitig ein Hotel mit zwölf Zimmern war, erwartete sie der Förster schon, mit einem mächtigen schwarzgeräucherten Schinken, einer Flasche quellhellen Kirschwassers und duftendem Bauernbrot.
    »Ist das nicht wundervoll?« sagte Sassner, als er allein mit Luise auf dem Balkon seines Zimmers stand und tief die Tannenluft einatmete, die jetzt, nach

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