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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der nächtlichen Abkühlung, alles einhüllte. »Seit Monaten zum erstenmal allein mit dir. Kein Arzt, der plötzlich ins Zimmer kommt, kein Pfleger, der mir Tabletten bringt, keine Schwester, die sich um meinen Stuhlgang kümmert, kein Professor, der mir Drähte an den Kopf klemmt und sich mit mir wie mit einem kranken Gaul unterhält. Ich kann wieder ein völlig normaler Mensch sein!«
    Er trat ins Zimmer zurück und betrachtete sich in dem Spiegel über dem Waschbecken. Die stoppeligen Haare überwucherten die Narben, aber man sah sie ganz deutlich. An beiden Seiten große verschlossene Fenster. Ein Kranz um die Schädeldecke, einer zugeklappten Luke gleich. In drei, vier Monaten würden die Haare darüber liegen. Aber war das nötig gewesen?
    »Sie haben mich ganz schön zugerichtet«, sagte er leise.
    »Aber du bist gesund.« Luise umfing ihn von hinten. Er spürte den Druck ihres Körpers, und als er hinter sich griff, strichen seine Hände über ihre kühle, glatte Haut. »Ich friere.«
    »Mein Rehlein.« Er nahm sie auf seine Arme, trug sie ins Bett, legte sich neben sie und zog die Decke über sich und Luise. Sie kroch an ihn heran und zitterte vor Glück wie ein junges Mädchen in den Armen des Geliebten.
    »Ich bin so glücklich«, sagte sie. »So glücklich, Gerd …«
    In der Nacht wachte Sassner plötzlich auf. Ein dumpfer Druck lastete auf seinem Gehirn. Er schob sich leise unter der Decke hervor, betrachtete die schlafende Luise und kniete dann neben ihr auf der Bettkante. Seine Hände legten sich um ihren Hals, aber sie drückten nicht zu, sondern es war, als nähmen sie bloß Maß, als wäre dies eine Probe. Als sich Luise im Schlaf bewegte und die Decke wegglitt, zog er sie wieder über ihren nackten Leib, hinauf bis zum Kinn, dann lief ein Zittern durch seinen Körper, er nahm die Decke und riß sie über Luises Gesicht, so wie man einen Toten völlig zudeckt. Mit verzerrtem Gesicht betrachtete er diese ›Leiche‹, faltete die Hände und betete leise. Dann schlich er zum Schrank, zog sich an und verließ fast lautlos das Zimmer. Bevor er die Tür zuzog, sah er noch einmal zurück zum Bett.
    Der langgestreckte zugedeckte Körper lag im fahlen Mondlicht.
    Sassner lehnte den Kopf an die Türfüllung und weinte.
    »Warum bist du gestorben, Rehlein«, stammelte er. »Warum hast du das getan? Einfach sterben. Wie soll ich jetzt weiterleben? O Rehlein, das hättest du nicht tun dürfen …«
    Er schluchzte, wandte sich dann um und schloß die Tür.
    Minuten später rannte er durch den Wald. Er lief wie ein gehetztes Tier, den Kopf vorgestreckt, hechelnd und keuchend. Mit ausgebreiteten Armen warf er sich in die Dunkelheit des Waldes.
    Als Luise am Morgen aufwachte und das Bett neben sich leer fand, glaubte sie zunächst, Gerd sei schon zu einem Morgenspaziergang aufgebrochen. Er hatte das früher oft getan. Während sich die Familie im Wochenendhaus ›Haus Frieden‹ ausschlief, wanderte er schon um sieben Uhr morgens durch den Wald und kam gegen neun Uhr zurück. Meistens brachte er etwas mit: Pilze, eine Kanne voll Beeren, blühende Zweige, seltene Pflanzen. Wenn dann die Familie verschlafen, gähnend und mit zerwühlten Haaren aus den Betten kroch, duftete schon der Kaffee durchs Haus, und der Tisch draußen auf der kleinen Terrasse war gedeckt. »Ihr Faulenzer!« sagte Gerd dann jedesmal. »Die schönsten Stunden des Tages verschlaft ihr!«
    Nichts Böses ahnend, duschte sich Luise, zog sich an und drehte sich dann vor dem Spiegel mit jener Eitelkeit, die Frauen nur sich selbst eingestehen. Ich sehe wirklich nicht aus wie sechsunddreißig, dachte sie. Ich habe mir meinen jugendlichen Körper erhalten. Die Brüste sind straff und rund, der Leib flach und faltenlos, die Beine schlank und lang, die Hüften und Schenkel nicht mit Polstern belegt. Ich bin jung geblieben, weil ich nie das Glück vermißte, geliebt zu werden.
    Als sie fertig angezogen war, lehnte sie sich aus dem Fenster und wartete auf Gerd. Jetzt war die Zeit, wo er zurückkommen mußte. Im Stall wurde ein Wagen angeschirrt, der Hotelbursche fegte den Eingang, vier Gäste, die auf dem Forsthaus Reiterferien machten, ritten hinaus in den rauschenden dunkelgrünen Tannenwald.
    Luise sah auf ihre Armbanduhr. Halb zehn …
    Sie hatte keine Erklärung für ihr Gefühl, aber plötzlich wurde sie unruhig. Sie lief vom Fenster weg, riß den Schrank auf und atmete erlöst. Gerds Anzüge hingen sauber nebeneinander auf den Bügeln, die Wäsche

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