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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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doch gar nicht wohnen …«
    »Man kann! Man kann alles, was ich will!« Der Mann griff plötzlich zu, riß Ilse Trapps an sich und preßte sie gegen seine Brust. Seine Arme waren wie Schraubstöcke, es gab aus ihnen kein Entrinnen, nicht einmal eine Gegenwehr. Seine Lippen suchten ihren Mund; es war ein Kuß, der alles in ihr zerbrach, was noch an Widerstand vorhanden war. Zitternd spürte sie, wie der Druck nachließ, wie er sie freigab … Sie taumelte gegen den Wagen und preßte die Fäuste gegen das nasse lackierte Blech.
    »Du sollst begreifen«, sagte der Mann dunkel, »daß mein Wille alles kann.«
    »Du kannst wirklich alles, Doktor«, keuchte sie.
    Er war aus dem Wagen gesprungen, griff erneut nach ihr und riß sie wieder an sich. »Wie heiße ich?«
    »Der große Boss …«
    »Sehr gut.« Er drehte sich um, ging vor dem dunklen Haus ein paarmal hin und her und betrachtete es genau. Es schien ihm zu gefallen. Ilse Trapps sah mit aufgerissenen Augen zu.
    Er hat die Kraft eines Bären, dachte sie. Und wie ein Bär geht er auch, elastisch, lautlos, in den Muskeln federnd. Ein Arzt ist er, sagt er. Ein großer Arzt. Ein Forscher. Und ich gefalle ihm. Er hat Hände, denen man nicht widerstehen kann. Er küßt einem die Seele aus dem Leib … und den Verstand dazu. Wie wird es erst sein, wenn wir allein im Zimmer sind, wenn er alles von sich abwirft, wenn er groß und nackt und stark über mich kommt?
    Sie spürte, wie sie bis in die Zehenspitzen bebte und ihre Zähne klappernd aufeinanderschlugen.
    »Ein schönes Haus!« sagte er plötzlich. Er drehte sich mit einem Schwung um. »Ich werde hier wohnen bleiben.«
    »Für … für länger … großer Boss?« Ilses Stimme bebte vor Erregung.
    »Für immer, roter Satan!«
    »Aber dein Beruf … du hast doch nur eine Panne … kannst du denn so einfach …«
    »Ich kann alles!«
    »Du hast doch sicherlich eine Praxis.«
    »Ich operiere.«
    »Da kannst du doch nicht für immer –«
    »Warum redest du soviel?« Er legte den Arm um Ilses Schultern und drängte sie vor das Haus. Sein Gesicht lag jetzt im fahlen Widerschein der Scheinwerfer des Autos. Ein schönes, hartes Männergesicht, ein Kopf mit kurzgeschnittenen Haaren, die über der Schläfenseite, die Ilse zugekehrt war, in einem merkwürdigen struppigen Kranz wuchsen. »Hier bleibe ich! Ich wohne in dem Turm, und ich praktiziere in den Zimmern, die ich noch angebe! Es ist ein herrliches Haus. Der Wald umgibt es, die Ewigkeit rauscht um die Schindeln, um den Turm kreisen die Vögel, stoßen hinauf in die Wolken, lassen sich fallen zur Erde, paaren sich auf dem Dach und brüten ihre Jungen aus in den Winkeln der Dächer. Blaue Vögel sind es … tiefblau und hellblau schillernd in allen blauen Farben … Hast du sie schon gesehen?«
    »Hier gibt es nur Krähen!« sagte Ilse Trapps atemlos. Sie blickte in seine Augen und war fasziniert von dem Schimmer, der in ihnen lag.
    »Blaue Vögel!« Sein Griff um Ilses Schultern verstärkte sich. »Wenn sie im Sommer in den Himmel fliegen, lösen sie sich auf, so blau sind sie. Das Göttliche saugt das Lebende auf … keiner sieht diese Wunder, nur ich sehe sie. Nur ich! Und hier ist die Heimat der Wunder. Das Schloß der blauen Vögel …«
    »Was?« fragte Ilse Trapps zitternd. Sie stöhnte auf. Die Finger des Mannes krallten sich in ihren Oberarm.
    »Das hier ist mein Schloß!« Er beugte sich über sie. Seine Stimme wurde geheimnisvoll. »Ihr habt gelebt wie die Säue. Aus einem Schloß voller Wunder habt ihr eine Kneipe gemacht. Eine klebrige Biertheke! Eine verräucherte Stampe! Welche Schande gegenüber den Wundern, die über euch schweben! Aber nun ändert sich das. Ich bin gekommen. Die Wunder werden sichtbar werden! Die blauen Vögel werden sie herbeitragen wie Brieftauben ihre Botschaft. Gehen wir.«
    Er gab ihr einen Ruck. Sie gingen zum Eingang, und Ilse drückte auf den Klingelknopf. Irgendwo in der finsteren Tiefe des Hauses schepperte es. Dann blendete Licht auf, Türen wurden zugeschlagen.
    »Das ist Egon.« Ilse Trapps knöpfte den Mantel zu. »Sieht man, daß das Kleid zerrissen ist?«
    »Nein!« Der Mann drückte das Kinn an den Kragen. »Du liebst Egon?«
    »Was heißt schon Liebe?« Ilse hob die Schultern. »Ich habe keine Eltern mehr, Egon holte mich aus dem Dorf weg als Putzhilfe, seine war schon vier Jahre tot, ich war jung, und wie's so kommt … er war so anständig, mich zu heiraten. Ist überhaupt ein anständiger Mann. Manchmal zu anständig.«

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