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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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steht er?«
    »Ilse sagt, es muß am Herbenrother Wäldchen sein. Er ist am Parkplatz fünf zu ihr gekommen.«
    »Ich bin gleich fertig.«
    Eine halbe Stunde später war nirgendwo ein abgestellter Wagen am Rande der Autobahn zu sehen. Sie fuhren die ganze Strecke ab … Herbenrother Wäldchen, Parkplatz … es war ja nur ein kleines Stück, das in Frage kam. Aber auf diesem Stück hatte kein Wagen gestanden. Das bestätigte auch der Streckenwärter, der mit seinem gelben Unimog auf dem Mittelstreifen stand und einen umgefahrenen Busch wieder einpflanzte.
    »Geklaut!« sagte Mathias Zuckmann trocken. »Während der Doktor bei dir im Bett schnarcht, haben sie ihm den Wagen geklaut. Na, der wird Augen machen! Junge, Junge, was so alles auf den Straßen passiert …«
    Als Egon Trapps seinen Wagen wieder in die Garage stellte und den Gastraum betrat, saß Gerd Sassner schon am Tisch und frühstückte. Ilse bediente ihn. Sie hatte die roten Haare aufgesteckt, ihr Gesicht glänzte, die Lippen leuchteten in grellem Rot, sogar die Fingernägel hatte sie lackiert. Sie trug ihr bestes Kleid, ein Dirndlkleid, dessen Mieder sich so eng um die runde Brust spannte, daß Egon schon mehrmals gesagt hatte: »Ich bin der Ansicht, das ist unanständig.« Er bekam dann immer zu hören: »Und du bist ein alter Mann!«, was ihn so sehr ärgerte, daß er lieber den Mund hielt.
    »Guten Morgen!« sagte er laut. »Ich komme von der Autobahn. Ihr Wagen ist weg, Herr Doktor.«
    Sassner blickte auf. Seine Augen waren etwas verschleiert.
    »Ich habe so etwas geahnt. Man läßt seinen Wagen nicht über Nacht allein! Es ist meine Schuld. Übrigens … Ihre Blutwurst ist gut. Selbst geschlachtet?«
    »Ja.« Trapps war ein wenig verwirrt. Er hatte eine andere Reaktion erwartet. Ein Mann, dessen Auto gestohlen ist, fährt vom Stuhl wie gestochen. Dieser hier lobte die Blutwurst. Trapps wischte sich über die Stirn. Das unheimliche Gefühl stieg wieder in ihm auf. Er sah seine Frau durch den Gastraum gehen, mit tänzelnden Schritten, die Hüften schwingend, und zu dem Unheimlichen kam noch ein Schmerz im Herzen. »Was nun?« fragte er.
    »Nichts!« Sassner goß sich Kaffee in die Tasse. »Was schlagen Sie vor?«
    »Man muß die Polizei holen!«
    »Warum? Es werden täglich durchschnittlich fünfzig Autos gestohlen, die nie wieder auftauchen. Ich hasse es, Unsinniges zu tun. Denken wir weiter. Mir gefällt dieses Haus, es liegt gut, es hat genau die Atmosphäre, die ich brauche. Ich miete es en bloc.«
    »An was?« fragte Egon Trapps und sah hilfesuchend zu seiner Frau.
    »Im Ganzen.« Sassner griff in die Rocktasche und holte vier Hundertmarkscheine heraus. Bedächtig zählte er sie auf den Tisch. »Ich möchte eine Woche hier allein wohnen. Machen Sie die Gastwirtschaft zu, hängen Sie ein Schild draußen an die Tür: Wegen Krankheit geschlossen. Ich möchte hier umbauen.«
    Egon Trapps wischte sich wieder verwirrt über das Gesicht. Er war ein Mensch des langsamen Denkens, aber wenn er einmal über etwas nachgedacht hatte, dann saß es auch fest in seinem Hirn. Und jetzt saß in seinem Gehirn der Gedanke: Er muß hinaus! Er muß hinaus! Schon wegen Ilse muß er hinaus. Sie benimmt sich ja wie eine heiße Hündin …
    »Nein!« sagte Egon Trapps laut. »Ich nehme keine Dauergäste. Ich bestelle dem Herrn Doktor nachher ein Taxi, und dann können Sie in der Stadt weitersehen …«
    »Ein guter Gedanke.« Sassner sah Trapps freundlich an. Aber dieser Blick hatte etwas Hintergründiges, Unaussprechbares. Ein Blick aus einer großen Leere. »Ich fahre gegen Mittag.«
    Um die Mittagszeit hielten ein paar Fernfahrer vor dem ›Gasthaus zur Eiche‹, schimpften und fuhren weiter. An der Tür hing ein handgemaltes Schild.
    Betriebsferien. Bis zum 15. geschlossen.
    Die Läden waren vor die Fenster geklappt, die Gardinen zugezogen. Auch die Waldarbeiter, die sonst in der Mittagspause ihren Schnaps und ein paar Viertel Wein tranken, kehrten um. »Jetzt hat's die Rote doch geschafft und schaukelt ihren Egon durch Italien!« sagten sie. »War ja immer ihr großer Wunsch. Einmal Italien! Muß ganz plötzlich gekommen sein, daß der Egon umgefallen ist …«
    Im Hinterzimmer lag unterdessen Egon Trapps und schlief röchelnd. Um ihn herum stank es nach Kirschwasser. Die Hosen lagen neben dem Sofa, die Unterhosen waren heruntergerollt, das Hemd zerknittert.
    Er hatte eine Schlacht geschlagen. Er hatte in einer Anwandlung wilden Männerstolzes bewiesen, daß er noch

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