Das Schloß der blauen Vögel
ein grober, ungebildeter Klotz bist! Denk an das Geld, das er hierläßt.«
»Ich will sein Geld nicht.« Egon Trapps sah durch die Klappe, durch die sonst die Speisen zur Theke geschoben wurden. Der Mann ging im Gastraum herum und sprach leise mit sich selbst. »Morgen ist er weg, das sag ich dir! Der Kerl ist mir unheimlich …«
Der Mann ging sofort auf sein Zimmer, als Ilse Trapps ihn fragte, ob er mitkommen wolle. Er wollte nichts mehr essen, nichts trinken, gar nichts. Er legte Egon Trapps einen Fünfzigmarkschein auf den Tresen, ohne ein Wort dazu zu sagen. Trapps steckte ihn sofort ein. Geld ist etwas Reales, auch wenn es von unsympathischen Menschen kommt.
»Du bleibst bei mir«, sagte der Mann und hielt Ilse Trapps fest, als sie das Zimmer wieder verlassen wollte.
»Ich komme nach …« stotterte sie.
»Wann?«
»Wenn mein Mann schläft.«
»Dein Mann stört mich.«
»Was sollen wir tun? Er ist eben da. Man muß ihn ertragen.«
»Man kann das ändern.«
»Ich werde ihm drei Kirschwasser geben, dann schläft er schneller ein.« Sie riß sich aus seinem Griff los, rieb ihre Knöchel und wich zur Flurwand zurück. »Ich … ich komme bestimmt.«
»Wenn du nicht kommst, hole ich dich …«
»Um Gottes willen!«
»Was soll Gott hier? Im Schloß der blauen Vögel regiert der große Boss!« Der Mann lachte dunkel, strahlte Ilse Trapps noch einmal mit seinen leuchtenden Augen an und warf dann die Tür zu. Mit weichen Knien schwankte Ilse die Treppe hinunter.
In seinem Zimmer setzte sich der Mann an den wackeligen Tisch und klappte eine alte Schreibmappe auf. Es war der einzige Luxus des ›Hotels‹ … eine Mappe mit Briefpapier, einem Kugelschreiber und vier Ansichtskarten vom ›Gasthaus zur Eiche‹. Auf den Fotos sah das Haus romantisch und einladend aus. Ideal zur Wochenenderholung, stand sogar auf der Rückseite.
Der Mann nahm ein Blatt Papier aus der Mappe und schrieb mit großen steilen Buchstaben untereinander immer den gleichen Namen.
Gerd Sassner
Gerd Sassner
Gerd Sassner
Dreiundzwanzigmal.
Als das Blatt Papier vollgeschrieben war, begann er, mit einem dicken Strich jeden Namen wieder durchzustreichen.
»Weg …« sagte er dabei. »Weg … weg … weg …«
Als der letzte Name durchgestrichen war, lehnte er sich zurück und breitete die Arme weit aus.
»Ich habe ihn vernichtet!« brüllte er. »Ich habe ihn total vernichtet! Es gibt ihn nicht mehr!«
Dann zerknüllte er das Blatt Papier zwischen den Fäusten, formte eine Kugel, schob sie in den Mund und aß sie auf.
»Welch ein göttliches Gefühl!« schrie er und stampfte mit beiden Füßen auf wie ein wildes Pferd. »Ich verdaue mich …«
Eine Stunde später schlich Ilse Trapps in das Zimmer fünf. Sie tastete sich durch die Finsternis zum Bett. Dort wurde sie ergriffen und auf die Matratze gerissen.
»Er schläft!« keuchte sie. »Er schläft endlich!«
Draußen begann es wieder zu regnen. Der Wind klapperte mit dem Gestänge des Wetterhahns auf dem kleinen Turm.
»Die blauen Vögel«, sagte Sassner. »Hörst du sie, rote Hexe?«
»Ja!« schrie sie gegen seine breite, nackte Brust. Sie klammerte sich mit Armen und Beinen an ihm fest. »Ja! Ja! Zur Hölle mit dir … du bist der Teufel selbst!«
Der nächste Tag brachte eine Überraschung … der Wagen des Doktors war von der Autobahn verschwunden.
Egon Trapps war schon früh aufgewacht. Neben ihm lag Ilse, tief atmend, fast keuchend, und Egon wunderte sich, denn er hatte noch nie bemerkt, daß seine Frau unter leichtem Asthma litt. Er sah sie eine Weile an, registrierte, daß sie im Schlaf zuckte, mit Armen und Beinen, so wie es Hunde tun, wenn sie von Katzenjagden träumen, ab und zu veränderte sich ihr Gesicht zu einer Grimasse, und dann kam ein Zug auf ihr Antlitz, den Egon verwundert als lustvoll erkannte, so, als träume Ilse die tollsten Dinge.
Egon Trapps zuckte mit den Schultern, schob sich aus dem Bett, sah auf die Uhr – es war gerade sechs Uhr – und schlich ins Badezimmer. Dort wusch er sich, zog sich an, verließ das Haus durch den Hinterausgang, fuhr den Kombiwagen aus der Garage und schellte Mathias Zuckmann aus dem Bett. Zuckmann hatte einen Abschleppdienst an der Autobahn. Er beschimpfte Trapps lauthals.
»Bis sieben hättest du warten können«, schrie er aus dem Fenster. »Ob der nun 'ne Stunde länger steht …«
»Ich will den Kerl loshaben, Mathias!« Trapps winkte ab, als Zuckmann weiterschimpfen wollte. »Tu mir den Gefallen.«
»Wo
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