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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gesehen, denen wir begegneten. In deren Herzen schien die Sonne … in deinem Herzen leuchteten nur die Operationsscheinwerfer …«
    »Angela!« Keller sprang auf. Mit beiden Armen wehrte Angela ihn ab.
    »Bleib sitzen!« Keller setzte sich wieder. »In diesen zehn Tagen habe ich gesehen, wie mein Leben wird, wenn wir erst verheiratet sind. Beim Morgenkaffee hast du die Zeitung gelesen. Ich habe einmal zu dir gesagt: Huhu! Ich bin auch da! Hier sitze ich! – Du hast das lächerlich gefunden und professoral geantwortet: Liebling, die Information ist der halbe Erfolg! Schalke 04 hat schon wieder verloren. – Haben wir in diesen zehn Tagen einmal über uns gesprochen? Immer nur Medizin! Immer Professor Dorian. Immer Hirnkranke. Zukunftspläne? Ja! Nicht mit uns, wie unsere Wohnung aussehen wird, was wir uns noch alles kaufen werden … nein! Wenn ich in Zürich bin, werde ich eine Forschungsreihe beginnen! Wenn ich in Zürich bin, werde ich die Enzephaloarteriographie ausbauen. Wenn ich in Zürich bin … immer nur Hirn! Hirn! Hirn!«
    »Mein Gott, Liebling, was ist mit dir los?« stammelte Dr. Keller.
    »Ich platze! Jawohl, ich platze! Ich bin ein junges Mädchen und will meine Jugend nicht verdämmern lassen an einem Menschen, der nur Hirnwindungen sieht!« Sie sprang von der Couch und drehte sich wild. »Ich will tanzen! Ich will modern sein! Ich will frische Luft um mich haben! Ja!« Sie drehte mit einem Griff das Radio auf volle Lautstärke. Beatrhythmen hämmerten ohrenbetäubend. »Das will ich!« schrie sie dazwischen. »Jung sein! Tanzen! Leben! Leben!«
    Dr. Keller drehte das Radio ab. Die plötzliche Stille war beklemmend. Angela fiel in sich zusammen und sank auf die Couch zurück.
    »Wir waren doch glücklich miteinander«, sagte Dr. Keller heiser.
    »In der Nacht! Aber die Tage sind länger. Ich will nicht nur in der Nacht leben und ein Mensch sein! Verstehst du das denn nicht? Bernd, verstehst du mich denn nicht? Denk an die letzte Nacht! Wo verbrachten wir sie? In unserem verträumten Hotel? Nein! Im Polizeibus auf der Autobahn, im Krankenhaus in Stuttgart, neben einer deformierten Leiche, die nach Alkohol stank. Soll das mein ferneres Leben sein? O Gott, Bernd … ich halte das nicht durch! Ich habe mit Vater nie darüber gesprochen, wie schrecklich diese Klinik für mich ist. Ich habe dich kennengelernt, ich habe dich geliebt, ich habe gewußt: Dieser Mann reißt dich endlich heraus aus der Welt der Irren und kranken Gehirne. Er ist ein so lieber, fröhlicher Mensch! Und was habe ich nun? Ein Abziehbild von Professor Dorian. Muß man da nicht durchdrehen?«
    Es war, als habe sie sich damit völlig ausgeleert. Sie warf sich nach hinten, atmete seufzend und lag da wie eine zerbrochene Puppe.
    Dr. Keller sah sie lange stumm an. »Das habe ich alles nicht gewußt«, sagte er endlich. »Bin ich so altmodisch?«
    »Ja, Bernd. Aber in Zürich soll es besser werden. Laß uns in Zürich leben wie richtige junge Menschen.«
    »In Zürich.« Keller senkte den Kopf. »Wir werden nicht nach Zürich ziehen …«
    »Was?« Angela richtete sich auf. Ihre blauen Augen waren unnatürlich weit. »Was sagst du da?«
    Dr. Keller wagte nicht sie anzusehen. Er starrte auf den Teppich.
    »Ich bleibe auf Hohenschwandt«, sagte er langsam. »Ich habe es vor ein paar Stunden deinem Vater versprochen …«
    Stumm, aber mit der Hast einer Flüchtenden, rannte Angela aus dem Zimmer. Auf der Couch zurück blieb die Rosette aus Blumen, die sie im Haar getragen hatte. Sie lag da wie ein Miniaturkranz auf einem Grab, und Dr. Keller empfand es auch so.

7
    Zwei Tage nach dem Tod des unbekannten Säufers, dessen Namen man auch durch das Fernsehen nicht herausbrachte, bog in der Nacht um 23 Uhr 12 der Handelsvertreter Karl Hannes auf einen Rastplatz an der Autobahn Stuttgart - München ein, um in aller Ruhe eine Zigarette zu rauchen und einen Schluck Cognac aus der Taschenflasche zu nehmen. Er bremste hinter einem kleinen, unbeleuchteten Wagen, sah im Scheinwerferlicht einen Frauenkopf und schaltete dann das Licht aus.
    Karl Hannes, Mitte Fünfzig und herzkrank, rauchte seine Zigarette, nahm ein paar Schlucke und überlegte dann, warum der kleine Wagen vor ihm so dunkel und still war. Eine Frau saß darin, das hatte er gesehen. Aber sie rauchte nicht, nichts bewegte sich, also schlief sie. So etwas ist selten bei Frauen, es sei denn, sie war eine der Autobahnmiezen, die nachts auf den Rastplätzen im eigenen Wagen stehen und

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