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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verließ schnell das Zimmer. Dr. Keller folgte ihm langsamer. Ihm lag der Brief wie ein Zentnergewicht auf der Seele.
    War das, was in dem Brief stand, wirklich geschehen? Oder entstammte es nur der perversen Phantasie eines Irren?
    Er war bereit, an das letztere zu glauben. Was hier in diesem Brief geschildert war, konnte einfach keine Wirklichkeit sein.
    Nach zwei Stunden wußte er, daß er irrte. Kriminalrat Ulrich Quandt legte Funkfotos der auf einem Rastplatz an der Autobahn Stuttgart - München gefundenen Leiche Magda Hendles vor. Auch das erste ärztliche Untersuchungsergebnis lag dabei.
    »Es stimmt aufs Wort«, sagte Quandt knirschend. »Der Briefschreiber hat kein Detail vergessen! Was mit Frau Hendle geschehen ist, kann ich nur als den ungeheuerlichsten Mord der deutschen Kriminalgeschichte bezeichnen. So etwas hat es noch nicht gegeben! Ein Gehirn in Tak-Lösung spülen! Mein Gott …« Quandt brannte sich mit bebenden Fingern eine Zigarette an. Mit einem Schluck stürzte er den Cognac hinunter, den ihm Dorian eingegossen hatte. »Was glauben Sie, was in Stuttgart los ist! Der Mann ist Ministerialrat. Die Landesregierung stellt alle Mittel zur Verfügung. Der Justizminister will laufend unterrichtet werden. Und nun kommt dieser Mistbrief und wir hängen mit drin! Jetzt wird auch die bayerische Regierung wild. Kann man von Ihnen telefonieren?«
    »Jederzeit, Herr Rat.«
    Quandt rief in Stuttgart an. Sein Kollege von Baden-Württemberg atmete hörbar auf, als er die Nachricht von dem Brief erfuhr. »Endlich ein Lichtblick!« sagte er wie ein von Blindheit Erlöster. »Wir tappen hier völlig im dunkeln! Keine Anhaltspunkte, keine Zeugenbeobachtungen, keine Fingerabdrücke, gar nichts! Und in einer Stunde ist mein neuer Bericht an das Ministerium fällig. Sie sind mein rettender Strohhalm, Kollege.« Quandt hörte ein Klicken im Telefon, es klang, als löse man Kontakte aus. »Kann ich den Originalbrief haben?«
    »Natürlich.«
    »In zehn Minuten steigt unser Hubschrauber Libelle V auf. An Bord neben dem Piloten Kriminalmeister Schubarth. Kann man bei der Klinik Hohenschwandt landen?«
    »Überall. Liegt mitten in einem Park mit großen Wiesenflächen.«
    »Wunderbar.« Die Stimme aus Stuttgart wurde wieder ernster. »Lieber Kollege, seien Sie so freundlich und lesen Sie mir mal den Brief vor. Ich nehme ihn auf Band, um ihn schon im neuen Bericht zu zitieren. Bitte … Band läuft, Herr Kollege …«
    Am Nachmittag dieses Tages wurde in Stuttgart die ›Sonderkommission GROSS X‹ gebildet. Kriminalrat Quandt erhielt telefonisch die Nachricht aus München, daß nach Besprechung der beiden Justizminister seine Anwesenheit in Stuttgart erwünscht sei. Nicht als aktiver Fahnder, das sei Ländersache, sondern als Beobachter und notfalls Berater.
    »Na gut«, sagte Quandt zu Professor Dorian. »Fahren wir mal ins Schwabenländle. Es soll dort ja einen vorzüglichen Wein geben …«
    Die Polizei im Gebiet der Autobahn Stuttgart - München und Basel - Frankfurt erhielt Alarm. Die Streifen wurden verstärkt. Neunundsechzig weiß gestrichene Polizeiwagen befuhren bereits in der nächsten Nacht die Strecken und kontrollierten alle Rastplätze. Die dort parkenden Autos wurden untersucht, die Personen genau befragt.
    Die Meldebücher füllten sich. Von dreiundzwanzig Uhr bis drei Uhr hatte man allein im Abschnitt Basel - Offenburg neunzehn Liebespaare aufgestört, darunter vier Jugendliche. Man nahm sie gleich mit zur Wache.
    »Es ist zum Kotzen!« stöhnte der Polizeioberkommissar, der diesen Abschnitt leitete. »Ich brauche keine jugendlichen Liebespaare – ich brauche den Mörder!«
    Denn jeder wußte, daß wieder etwas geschehen würde. Irgendwo in diesem weiten Land vollzog sich wieder das Schreckliche, das Bestialische. Der Mörder hatte es in seinem Brief, im letzten Satz, nüchtern angekündigt:
    »Es wird mir eine Ehre sein, lieber Kollege, Ihnen in den nächsten Tagen über weitere Erfolge meiner Operationsmethode berichten zu können. – Ich wünsche herzlich einen guten Abend.«
    In seinem Einfamilienhaus saß um diese späte Stunde der Ministerialrat Kurt Hendle zwischen den Betten seiner beiden Kinder und weinte.
    Er hockte im Dunkeln auf einem rotbemalten Kinderschemel und wagte nicht, aus dem Kinderzimmer hinauszugehen in sein Schlafzimmer, wo er das zweite Bett sehen mußte, das Bett, das nun für immer leer bleiben sollte.
    Die Stille im Haus war furchtbar. Kurt Hendle hatte den Kopf in beide Hände

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