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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freund!« sagte einmal ein Kranker. Er sprach damit aus, was alle Patienten dachten.
    An diesem Vormittag unterbrach die Sekretärin die Visite. Bleich und zitternd stürzte sie in das Zimmer 34, wo Dorian gerade bei einer Patientin am Bett saß, die seit drei Monaten behauptete, ein Geist habe ihr die Beine gelähmt. Nach drei Elektroschocks war sie so weit, daß sie wenigstens die Beine hin und her bewegte. Aber nun klagte sie, der Geist habe sie zum Hampelmann gemacht und zöge dauernd an dem Strick, der ihre Beine auf und ab bewegte.
    »Herr Professor …« keuchte die Sekretärin und hielt einen Brief von sich, als sei er etwas Ekelhaftes. »Er ist eben mit der Post gekommen. Ich … ich … mir wird schlecht, Herr Professor.«
    Sie sank neben dem Bett auf einen Stuhl, schlug beide Hände vor das Gesicht und weinte leise.
    Dorian hob das Blatt auf, das zu Boden geflattert war. Noch bevor er zu lesen begann, wußte er, woher er kam und wer ihn geschrieben hatte. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer.
    »Bernd …« sagte er heiser zu Dr. Keller, der neben ihm stand. »Lies mit …«
    Der Brief lautete:
    »Lieber Herr Kollege!
    Ich habe mit der praktischen Arbeit begonnen. Wie ich Ihnen schon schrieb, sehe ich große Möglichkeiten, die Dummheit aus dem menschlichen Gehirn herauszuoperieren, um durch die so aktivierte Intelligenz Menschen zu schaffen, die endlich erkennen, wie wertvoll der Frieden für diese Erde ist.
    Ich darf Ihnen, verehrter Freund, kurz berichten:
    Patientin Magda Hendle, 32 Jahre alt. Konstitution: 1,70 groß, Gewicht 63 kg, gesund, von mittlerer Intelligenz, zwei Kinder, alte Blinddarmnarbe. Narbe am Oberschenkel, anscheinend von einem Unfall. Charakterlich leicht beeinflußbar … sie verliebte sich in mich nach knapp fünfzehn Minuten.
    Operation: Eröffnung des Schädels durch Rundschnitt und Entfernung der gesamten oberen Hirnschale …«
    »Um Gottes willen …« stammelte Dr. Keller. Fahle Blässe überzog sein Gesicht. »Er hat sie skalpiert und dann den Schädel –«
    »Es geht noch weiter.« Dorians Stimme schwankte. Er war zur Balkontür getreten und stand im Zugwind. Schweiß perlte von seiner Stirn, sein Atem ging stoßweise. Die Kranke im Bett hörte nicht zu; sie war mit sich selbst beschäftigt und gab ihren Beinen strafende Ohrfeigen, wenn sie sich bewegten. »Teufel! Teufel! Teufel!« murmelte sie dabei.
    Dorian las mit leiser Stimme weiter vor:
    »… In den vielfach verschlungenen Windungen kein Erkennen von Seele. Nach Auslösung des Hirns innere Kopfspülung mit einer Tak-Lösung …«
    Dorian unterbrach sich und sah zu Dr. Keller.
    »Tak ist ein Geschirrspülmittel«, erklärte Keller tonlos.
    »… dann Wiedereinsetzen der Hirnmasse in die saubere, von allem zivilisatorischen Unrat befreite Kopfhöhle. Patientin bei guter Verfassung, still und duldsam. Danach Eröffnung des Brustkorbes, Waschen des Herzens ebenfalls in Tak-Lösung …«
    »Hör auf … bitte …« Dr. Keller riß den Brief aus Dorians Hand. »Mir wird übel wie der armen Frau Steinmann.« Er drehte sich zu der Sekretärin um. Sie hockte noch immer auf dem Stuhl und schluchzte leise. Dorian strich sich mit zitternden Händen über das graue Haar, trat hinaus auf den Balkon und sog laut die frische Luft ein.
    »Er hat diese Frau regelrecht ausgeschlachtet wie ein Schrotthändler ein Autowrack. Und diese Bestie läuft frei herum, und keiner konnte sie bisher unschädlich machen.« Dorian nahm den Brief aus Kellers Fingern. »Wieder aus Basel. Dieselbe Schreibmaschine. Es muß ein uraltes Modell sein … ein Teil der Buchstaben ist ausgeschlagen.« Dorian lehnte sich an die sonnenheiße Wand des Balkons. »Warum schickt er gerade mir diese Briefe? Woher kennt er mich? Ist er wirklich ein irrsinnig gewordener Arzt, oder war er einmal unser Patient?«
    »Das ließe sich anhand der Kartei überprüfen.«
    »Die Polizei soll das tun.« Dorian faltete den Brief zusammen. Nach dem ersten Entsetzen fand er seine Fassung wieder. »Frau Steinmann, rufen Sie sofort Kriminalrat Quandt an. Er möchte umgehend kommen.« Die Sekretärin zuckte zusammen, nickte und flüchtete aus dem Zimmer, als sei Dorian die mordende Bestie. »Wir sehen unterdessen die Kartei durch, Bernd. Ich breche die Visite ab. Doktor Wolter von Station I soll herumgehen und fragen, welche Wünsche die Kranken haben.«
    Dorian steckte den Brief in die Tasche seines weißen Kittels, gab der mit ihren Beinen schimpfenden Patientin die Hand und

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